Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
Beine, die durch langes Gras strichen: Pferde?
Und menschliche Stimmen

    Er lag bewegungslos da wie ein Toter, hörte, wie sie näherkamen, und hoffte, dass, wer immer es war, ihn für tot halten und wie eine Leiche im Graben liegen lassen würde.
    Doch düstere Schatten fielen auf ihn, als die Reiter an dem Steilufer direkt über ihm anhielten. Er hörte, wie Leder knirschte, Stoff raschelte und Metall klirrte, als sie sich in ihren Sätteln aufrichteten. Er öffnete seine Augenlider einen Spalt und versuchte, zu erkennen, wer oder was ihn gefunden hatte.
    Die beiden Reiter, die ihm am nächsten waren, starrten aus einer Höhe und aus einem Winkel auf ihn herab, die ihm unmöglich erschienen: Zwei Männer, die Kleidung trugen, die ihm fremder und kostbarer erschien als alles, was er je gesehen hatte. Beide trugen die Schwertpaare, die sie als Samurai auswiesen: die Kriegerelite der Welt jenseits des Meeres der Bäume.
    Er spürte, wie mehr Blicke sich auf ihn richteten, das Starren der Reiter ruhte auf ihm wie ein Gewicht. Er lag still und atmete kaum, lauschte dem Klang ihrer Stimmen, die so anders waren als die Stimmen, die er kannte, dass er die gemurmelten Worte kaum verstehen konnte.
    »... wirklich eine Leiche?«
    »Nicht aus dieser Gegend. Wer ...?«
    »Nein ...
was
? Das sieht nicht menschlich aus.«
    »Fürst Asano?«
    Der ältere Mann, der mit der Würde eines Lehnsherrn auf seinem Pferd saß, nickte dem Krieger neben ihm zu. »Oishi«, er zeigte auf den Jungen im Fluss. »Seht nach, ob er noch lebt.«
    Als der Samurai neben dem Fürsten abstieg und die Böschung hinabkam, drohte der Körper des Jungen, ihn mit einem plötzlichen Zittern zu verraten.
    Auch der Fürst stieg nun ab, obwohl mehrere Stimmen protestierten. Er gab den Falken, der auf seiner Hand saß, weiter und beobachtete genau, wie sein Untergebener sich dem Jungen näherte, ihn am Arm packte und auf den Rücken drehte.
    Immer noch rührte sich der Junge nicht und hielt den Atem an. Durch seine kaum geöffneten Augen erkannte er, dass der Fürst mit offensichtlicher Neugier und Erstaunen auf ihn hinabblickte, doch sein Gesicht verriet nicht die geringste mörderische Absicht.
    »Er ist nicht aus Ako«, sagte der Samurai, der den Jungen hielt. Er war sich absolut sicher. »Wie ist er nur hergekommen? Er konnte nicht an den Straßenkontrollen vorbei.«
    Jetzt stieg auch der Fürst die Böschung zum Fluss hinab, aber der Samurai namens Oishi hob eine warnende Hand und ging neben dem Jungen in die Hocke. Der Junge erkannte, dass Oishi kaum älter war als er selbst – aber in den Augen des jungen Samurai lag Misstrauen, als sie auf ihn hinabstarrten.
    Beinahe zögerlich streckte Oishi die Hand aus und berührte die Narben, die den vorderen Teil des rasierten Schädels des Jungen bedeckten, als seien sie eine unverständliche Beschwörung, die man ihm in die Kopfhaut gebrannt hatte. Dann packten behandschuhte Finger ganz plötzlich das Kinn des Jungen und drehten sein Gesicht, sodass der Samurai es besser betrachten konnte. Der Krieger runzelte die Stirn und schüttelte seinen Kopf. »Es ist nicht ... menschlich,
tono
«, meldete er seinem Fürsten. »Es ist ein Wechselbalg. Ein Gestaltwandler. Er muss aus dem
tengu
-Wald gekommen sein oder tief aus den Bergen ...«
    »Es ist menschlich genug«, erklärte eine andere Stimme angewidert. Die anderen waren nun ebenfalls abgestiegen und hatten sich oben am Hang versammelt. »Es ist ein Halbblut. Seht euch sein Gesicht an – es hat die Züge dieser Goldhaarigen von der Insel der Holländer. Nicht einmal eine Prostituierte würde mit der Schande, ein Halbblut geboren zu haben ...«
    Fürst Asano wandte sich dem Sprecher zu und brachte den Mann mit einem Blick zum Schweigen. Oishi drehte den Kopf des Jungen wieder zur Seite, um sein Profil studieren zu können, und der Ausdruck auf seinem Gesicht verdüsterte sich.
    Und dann erstarrte er plötzlich, denn das Messer, das der Junge aus einer versteckten Scheide gezogen hatte, drückte gegen seine Kehle. Oishi war erstarrt wie die Steine im Bach. Jetzt war er derjenige, der nicht zu atmen wagte. Der Junge starrte ihn aus weit aufgerissenen, wütenden Augen an. Sein Arm zitterte. Ein feiner Schnitt zeigte sich an Oishis Hals.
    Oishi bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze, griff nach dem Handgelenk des Jungen und verdrehte es so heftig, dass der Jungen die Klinge mit einem kleinen Schrei kampflos fallen ließ. Und dann sackte der Körper des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher