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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
Autoren: Timm Kruse
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Wasser möglichst ex. Sich beim Baden im Meer zu verschlucken ist dagegen ein Genuss. Glaubersalz schmeckt wie die Essenz einer verdunsteten Monsterwelle. Der Mund möchte sich am liebsten umstülpen.
    Zum Glück habe ich durch diverse Trinkspiele als Jugendlicher Erfahrung in Sachen Viel- und Schnelltrinken.
    Außerdem habe ich eine neue Methode entwickelt. Ich trinke Glaubersalz als konzentrierte Lösung und kippe dann erst die vorgeschriebenen anderthalb Liter Flüssigkeit hinterher. Am liebsten in Form von Apfelschorle. Vermengen kann sich das Ganze dann im Magen. Das ist weitaus angenehmer, als es nach Vorschrift zu machen und anderthalb Liter Glaubersalzwasser zu trinken.
    Etwa zwei Stunden später setzt schwallartiger Durchfall ein. Der erste Klogang ist am heftigsten. Von jetzt an ist alles nur noch qualvoll und ekelhaft und widerlich.
    Man verbringt die folgenden Stunden unbedingt in Toilettennähe und erträgt stoisch Hunger und Mattigkeit. Prost Mahlzeit.
    So elend habe ich mich nach dem Glaubern noch nie gefühlt! Ich gehe heute auf gar keinen Fall zur Arbeit. Als freier Mitarbeiter beim NDR-Fernsehen kann ich mir diesen Luxus leisten. Ich bekomme kein Grundgehalt, sondern verdiene nur Geld, wenn ich arbeite. Das heißt: einen Fernsehbeitrag produziere.
    Normalerweise gehe ich um zehn zur Konferenz, schlage dort entweder ein Thema vor oder ergattere eines, das aktuell ansteht. Wenn weder das eine noch das andere der Fall ist, habe ich frei, kann recherchieren, flurfunken oder Kaffee trinken – verdiene dann aber auch nichts. Trotzdem darf ich natürlich nicht einfach tage- oder wochenlang wegbleiben, sonst sitzt irgendwann ein anderer auf meinem Stuhl. Da fällt mir ein, dass ich meinen Kollegen noch gar nichts von meinem Fastenvorhaben erzählt habe. Dabei hätte ich noch nicht einmal einen Ruf zu ruinieren …
    Wir »Freien« haben alle Freiheiten. Hauptsache, die Beiträge haben öffentlich-rechtliches Niveau, sind seriös und aktuell. Zeitgemäß sollten sie auch sein, dürfen aber den Durchschnittszuschauer des Schleswig-Holstein-Magazins – ab Mitte 60 aufwärts – nicht überfordern.
    Ein durchschnittlicher Arbeitstag sieht ungefähr so aus: Vor einem Dreh schreibe ich ein Konzept, recherchiere, telefoniere, ändere das Konzept, um dann wieder alles auf den Kopf zu stellen, und bespreche mich anschließend mit dem tagesaktuellen Vorgesetzten. Der stellt dann die Fragen, die die Zuschauer interessieren: Wer hat wann, was, wie, wo, warum gemacht. Wer ist der Hauptdarsteller, welche Herausforderung hat er, was ist die Veränderung innerhalb des Films, und ich erkläre noch ein paar dramaturgische Strukturen (wenn ich wirklich gut vorbereitet bin).
    Steht das Konzept, rufe ich Menschen an, die in der Öffentlichkeit stehen oder gerne stünden, vereinbare Dreh- und Interviewtermine in den nächsten Stunden, klemme meine Mappe unter die rechte Achsel und bekomme im Idealfall möglichst schnell ein Kamerateam zugeteilt.
    Im Kleinbus, dem NDR-Buli, geht’s »auf Dreh«. Irgendwo in Schleswig-Holstein. Und Schleswig-Holstein ist groß. Immerhin gibt es hier eine Ost- und eine Westküste. Wie in Amerika. Kiel – Husum. New York – San Francisco.
    Im Buli und später vor Ort besprechen wir, welche Bilder wir brauchen, ich führe Interviews, recherchiere weiter und informiere die Redaktion kurz über den Zwischenstand. Meist drehen wir an zwei oder drei verschiedenen Orten.
    Wenn der Kameramann, der Assistent (»Assi«) und ich glauben, alles »abgedreht« zu haben, fährt uns der »Assi« zurück ins Funkhaus nach Kiel. Der Kameramann und ich schlafen dabei häufig ein. Der »Assi« bisher noch nie.
    Danach schneidet der Cutter aus einigen Stunden sogenannten Rohmaterials einen zwei- bis dreiminütigen Film zusammen. Im Schnitt entscheidet sich, ob der Film gut oder schlecht wird. Dabei gibt es Cutter, die aus Scheiße Gold machen und umgekehrt.
    Während der Cutter in Absprache mit mir die Bilder in der entsprechenden Reihenfolge und Länge digital aneinanderfügt, Interviewschnipsel einsetzt und Geräusche und Musik unterlegt, schreibe ich einen Text zum Film, der möglichst viele Informationen enthält, die Bilder erläutert und (hoffentlich) den richtigen Ton trifft. Nach etwa zwei bis drei Stunden rufe ich erneut den zuständigen Vorgesetzten an. Der macht ein paar Verbesserungsvorschläge, die wir möglichst zügig einbauen. Ich setze mich in die Vertonungskabine, spreche meinen Text auf die
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