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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
Autoren: Timm Kruse
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gehetzt und auf der Suche nach einem noch größeren, besseren, heftigeren Kick. Irgendwie landete ich so beim Journalismus. Aber das ist eine andere Geschichte.
    Mit Anfang 30 dann schmiss ich alles hin, Job, Freundin, Zuhause, und bin um die halbe Welt gesegelt. Glücklicher wurde ich dadurch nicht. Später versuchte ich es auf spirituellem Wege, reiste monatelang durch Indien, um schließlich Vipassana zu entdecken: Eine zehntägige Schweigemeditation, bei der man von frühmorgens bis spätabends mit Ausnahme kurzer Pausen bewegungslos auf einem Kissen sitzen muss und seinen Körper spüren soll. Danach habe ich mich immerhin ein oder zwei Tage lang der Erleuchtung sehr nahe gefühlt und begann zu ahnen, dass dies ein Weg zu innerem Frieden und mehr Ruhe sein könnte. Aber der Zustand war nicht von Dauer. Nach ein paar Tagen klinkt sich regelmäßig die Sucht nach dem Extremen wieder ein. Die Hetzjagd bestimmt wieder den Alltag. Aus Eile wird Laufschritt. Aus Laufschritt Hast. Tage und Wochen vergehen, ohne dass ich ein einziges Mal bewusst zur Ruhe komme.
    Jetzt sollen es 40 Tage Fasten richten. Eigentlich wieder ein Extrem. Danach aber macht vielleicht ein einfaches, normales Leben ohne Extreme glücklich und zufrieden. Im Idealfall lerne ich sogar Bescheidenheit.
    Der zweite Klogang ist noch heftiger …
    Was ist eigentlich Erleuchtung? Laut Buddha ist es das Ende allen Leidens. Wenn ich mich also nicht mehr über meine Eltern, Brüder und Freunde aufrege, alle Kollegen mit ihren Macken liebe, mir nichts mehr wünsche und ersehne, wenn ich Ruhe, Ausgeglichenheit und Mitgefühl empfinden kann, auch wenn mir ein Opa mit Hut die Vorfahrt nimmt – dann bin ich erleuchtet.
    Bei meinen Eltern und Brüdern bin ich auf einem guten Weg. Das mit meinen Freunden und Kollegen klappt hervorragend, zumindest im Urlaub. Nur im Straßenverkehr geht mir die Gabe zum friedlichen Miteinander häufig ab.
    Und wirklich erleuchtet fühle ich mich nur, wenn ich die Sportschau gucke und Gladbach gewinnt, ich ein Kohlwurstbrot esse und Gabi mir einen Kaffee Latte bringt.
    Gabi ist meine Freundin. Sie arbeitet auch beim NDR und liebt mich seltsamerweise, obwohl ich zu Extremen neige. In letzter Zeit jedoch holt sie auffallend oft tief Luft. Sie wohnt mit ihrer Tochter Lilly in Kiel, sodass wir immer zwischen Land- und Stadtleben pendeln können. Bisher führen wir eine glückliche Beziehung. Aber bisher habe ich auch noch nicht 40 Tage lang gefastet.
    Gabi und ich waren gestern in unserer Lieblingsbuchhandlung. Gabi grinste und nickte Richtung Eso-Ecke. Diese Abteilung wächst wöchentlich um zwei Regale. Oder mehr. Es ist das Riesenthema – neben Kochrezepten geht es jetzt um Lebensrezepte. Esoterik, Spirituelles, Ratgeber, Lebenshilfe, Selbstfindung, anders leben, anders denken, besser wünschen und so weiter. Alle wollen glücklich sein, das war ja schon immer so, nur jetzt wissen plötzlich ganz viele Leute, wie das geht. Auch ich bin ja auf der Suche nach dem Glück. Nur gehe ich es vielleicht ein bisschen anders an.
    Während diese bunten Bücher noch vor ein paar Jahren in der hinterletzten Ecke versteckt wurden, begrüßen uns heute der Dalai Lama, amerikanische Power-Mental-Trainer und Lebensweisheiten-Verbreiter schon im Schaufenster, im Eingangsbereich und sogar in der Bestsellerliste. Wenn man früher mit einem spirituellen Buch erwischt worden ist, kam man sich vor, als wäre einem ein Porno aus der Tasche gefallen. Heute trägt die Kassiererin im Supermarkt Qigong-Ohrringe, Hanseaten laufen ins buddhistische Zentrum, und Aussteiger lassen sich das Gesicht des Dalai Lama auf den Unterarm tätowieren.
    Spiritualität wird zur Mode, wird ausgeschlachtet wie einst Che Guevara. Jetzt ist Buddha dran, in Schaufenstern, Friseurläden, auf T-Shirts und Regenschirmen. Sogar als Marzipanfigur ist er konsumierbar.
    Auch ich komme mittlerweile nicht mehr mit leeren Händen aus der Esoterikabteilung. Heimlich lese ich Osho, Eckhart Tolle und Jeru Kabbal. »Würden Sie es bitte als Geschenk verpacken? Is’ für ’ne Freundin.« Gabi schüttelt den Kopf. Ich stecke den frisch verpackten spirituellen Fastenratgeber in eine kleine blaue Plastiktüte und gucke Gabi mit hochgezogenen Brauen an: »Is’ was?«
    Ich mache mit. Auf meine Art. Andere besuchen New-Age-Seminare, Meditationsgruppen oder üben sich im Mantrasingen – ich faste. 40 Tage lang. Vielleicht finde ich ja in einem dieser Bücher den Weg zum Glück. Eigentlich
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