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3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

Titel: 3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
Autoren: Alexander Kamps
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lebensgefährlich und sollte nur von nüchternen, trittsicheren und schwindelfreien Pilgern begangen werden. Schmale Pfade, teilweise kaum, gar nicht, oder schlecht gesichert, vorbei an steilen Felswänden und steilen Abgründen, sorgen für einen ordentlichen Adrenalinstoß.
     
    S o schön und spannend das alles auch ist, komme ich dann doch irgendwann fluchend - schon wieder fluchend - zu der Einsicht, dass es einfach irre ist, ein zu schweres Zelt, in dem ich bisher nur einmal übernachtet habe, einen zu schweren Schlafsack und überhaupt zu viel Gepäck, wie ein dummes Maultier über die wunderbar steilen schweizerischen Pässe zu schleppen. Ich habe endgültig die Schnauze voll von den ewigen Steigungen mit meinem viel zu schweren Rucksack.
     
    Bei der Post in Emmetten wiege ich meinen Rucksack und kann es kaum glauben, dass mein Gepäck satte 18 kg wiegt! Als wäre das noch nicht genug, geht’s kurz nach dem höchsten Punkt dieser Etappe in kurzer Distanz wieder 320 Meter steil abwärts. Der schlimmste Abstieg des Weges bisher (zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass es noch schlimmer kommen soll). Mein Entschluss steht fest: Ich werde meinen Rucksack ausmisten müssen, wenn ich nicht bald schon darunter zusammenbrechen und meine Pilgerreise aufgeben will.
     
    Hatte ich vielleicht vor , mein Zelt bis Santiago mitzuschleppen und vielleicht ein halbes Dutzend Mal darin zu übernachten? Und wofür brauche ich im Sommer einen Daunen-Schlafsack, der bis -10° warm hält? Ich laufe heute nicht wie geplant bis Stans, sondern schleppe mich gerade noch bis nach Buochs. Meine “Schlaf im Stroh”-Gastgeberin Frau Rölli ist so nett und sammelt mich im Ort auf, nachdem ich sie darum gebeten hatte. Die 2 km Steigung, die mir bis zu ihrem Hof noch bevorgestanden wären, hätte mir definitiv den Rest gegeben.
     
    In ihrer zu einer Herberge ausgebauten Scheune kann ich zwischen Stroh und Bett wählen. Ich gönne mir ein Bett, lasse mich drauffallen und will eigentlich nicht mehr aufstehen. Ich habe nicht mal mehr Lust zu duschen, weil ich so kaputt bin. Ich schaffe es dann aber doch, meinen verdammt hartnäckigen Schweinehund zu überwinden, um meine Wäsche zu waschen und zu duschen.
     
    Zum ersten Mal seit mei nem Aufbruch höre ich Radio, wodurch ich mich nicht ganz so alleine fühle.  Kurz nach dem Einschalten läuft der Song von Udo Lindenberg“Wenn Du durchhängst”. Passt wie die Faust auf’s Auge und baut mich auf.
     
     
     
    Fazit des Tages: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen…!

Mittwoch, 21. Mai, 9. Tag:
     
     
     
Buochs - Flüeli Ranft, 23 km
     
     
     
    Natürlich breche ich wieder spät auf. Außer an meiner Gemütlichkeit und meinem inneren Schweinehund liegt das auch daran, dass ich körperlich total ausgelaugt bin. Nach dem Horrormarsch von gestern habe ich endgültig entschieden, mich von ein paar überflüssigen Dingen zu trennen.
     
    In Stans kaufe ich mir einen kompakteren und leichteren Schlafsack und trenne mich von meinem 2,3 kg schweren Daunenschlafsack, meinem 3,2 kg schweren 3-Mann-Zelt und ein paar anderen Gegenständen, die ich bisher nur selten oder gar nicht gebraucht habe.
     
    Und wieder reduziert mich der Jakobsweg auf das Wesentliche. Es kommen unglaubliche 7 kg zusammen! Ich muss wahnsinnig und masochistisch gewesen sein, das alles über eine Woche durch die Schweiz geschleppt zu haben. Fühle mich irgendwie erleichtert und wie befreit und schaffe es heute noch bis nach Flüeli Ranft, obwohl der Weg dorthin, wenn auch landschaftlich - natürlich - wieder wunderschön, mal wieder mit 2 Abstiegen und 3 Aufstiegen verbunden ist, von denen es der letzte Kilometer aus der Ranft-Schlucht hoch nach Flüeli besonders in sich hat.
     
    Dafür ist die Schlucht und der gleichnamige Fluss wildromantisch und sehr beeindruckend. Schöne Schweizer Idylle eben . Zwei Kapellen stehen sich hier gegenüber und hier hat im 15. Jahrhundert der später heiliggesprochene Nationalheilige Bruder Klaus als Eremit gelebt.
     
    Es ist schon stockfinster , als ich endlich auf dem Bauernhof eintreffe, wo ich diesmal wirklich im Stroh schlafen werde. Weil ich mit meiner Stirnlampe in der Finsternis für den Hund wie ein Außerirdischer aussehen muss, empfängt er mich laut kläffend, aber dann doch lieb.
     
    Einige Bauernhöfe in der Schweiz bieten unter dem Slogan “Schlaf im Stroh” für schweizerische Verhältnisse günstige Unterkünfte für Reisende an. Für mich ist es das
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