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33 Cent um ein Leben zu retten

Titel: 33 Cent um ein Leben zu retten
Autoren: Louis Jensen
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einfach weiter, drückte das Gaspedal durch und fuhr an den Polizeibeamten vorbei, die, um ihr Leben fürchtend, einen Satz machten. Aber ich war kein Held, und außerdem: Was würde das nützen?
    Wir waren gefangen.
    Ich war nicht wirklich enttäuscht. Ich hatte es erwartet. Und ich wusste und spürte, dass auch Anne jetzt genau das erlebte, was sie sich ausgemalt hatte: Polizisten, Papiere, Ende. Würde ich nach Hause und zu meiner Konfirmation kommen? Das war zwar im Augenblick nicht wichtig, dennoch schoss mir der Gedanke durch den Kopf. Aber nur einen Augenblick, denn nun kam sie. Ich sah nicht, woher sie kam, denn meine Augen klebten an den Polizeibeamten, ihren Schirmmützen und Handbewegungen. Und an ihren Papieren und ihren Blicken zu mir und Anne.
    Was sie vor sich sahen, war ein dänischer Kühlwagen. Johnnys Kühlwagen. Der wurde in ganz Europa gesucht, daran zweifelte ich nicht. Ein Wagen, bei dem kein Irrtum möglich war. Auf den Seiten stand: Hallo! Hier bin ich! Nach mir wird gefahndet! Und einen Moment lang war ich wieder erstaunt, dass wir so weit gekommen waren. Aber jetzt war Schluss. Ich schaute wieder auf, dort lag Afrika, direkt vor uns, auf der anderen Seite des Wassers.
    Nein, ich sah nicht, woher sie kam, die Dame in Weiß. Wie ein weißer Wind kam sie über den Asphalt gelaufen, hin zu den Polizeibeamten. Sie griff nach dem Arm des einen, sprach, jetzt sprach sie. Dann nach dem des anderen. Sie gestikulierte, rief, sprang zwischen beiden hin und her. Das wirkte recht amüsant. Was war da los?
    Der Polizist blickte von den Papieren auf, fing meinen Blick ein und winkte uns heran. Er deutete: Wir könnten weiterfahren, hinunter zur Fähre. Als wir an den Polizisten vorbeirollten, sprang die weiße Dame aufs Trittbrett, öffnete die Tür und setzte sich neben Anne.
    Nun war das Taschengeld zu Ende.
    Die Fahrkarte für die Überfahrt musste von den Diebstählen in den großen Kleiderboutiquen bezahlt werden.

AFRIKA
    Der erste Ort hieß Ceuta. Dort legte die Fähre an.
    »Wo sind die hungrigen Kinder?«, fragte Anne.
    »Nicht hier«, sagte ich. »Weiter im Süden, weiter im Osten.«
    Wir fuhren Richtung Süden und immer mit dem blauen Meer links von Johnnys Kühlwagen. Jetzt musste das Aggregat stärker arbeiten. Es wurde immer wärmer.
    Wir fuhren an den Orten Findeq, Riffien, Restinga vorbei. Die Namen kannte ich nicht. Ich hatte nur die Strecke bis Afrika auswendig gelernt. An den Rest hatte ich nicht gedacht, aber ich sagte mir, dass wir schon jede Menge hungernde Kinder finden würden, wir mussten nur lange genug fahren.
    Die weiße Dame schwieg wieder. Aber jetzt wusste ich, dass sie sprechen konnte, und nicht nur sprechen, sondern sie konnte sogar die Polizei davon überzeugen, uns nicht anzuhalten. Ich grübelte, wer sie wohl sein mochte, und mein allererster Gedanke, als ich sie oben in Frankreich über den Strand gehen sah, sie sei ein Engel, tauchte wieder auf.
    »Aber die gibt es nicht«, sagte Anne, als hätte sie meine Gedanken gehört.

ROBIN HOOD
    »Wir schlafen hier«, sagte ich.
    Dort gab es keine Stadt, kein Hotel, nur Sand und das Mittelmeer, dessen blaues Licht nun schwarz geworden war. Aber es gab ein großes Schild: grün und klapprig. Auf dem Schild stand mit meterhohen, verblassten Buchstaben ROBIN HOOD . Und oben auf dem Schild, auch grün und verblasst, saß Robins grüner Hut, und darin steckte keck eine Feder. Ich bog auf den Parkplatz ein.
    Ich stellte mir vor, dass es dort einmal, vielleicht vor langer Zeit, eine Art Kiosk oder eine kleine Gastwirtschaft gegeben hatte, die Robin Hood hieß. Bis auf das Schild war das alles verschwunden.
    Ich parkte Johnnys großen Kühlwagen neben dem Schild. Dort zu halten kam mir gelegen. Diesen Namen kannte ich, der würde uns beschützen. Der weißen Dame sagte ich, dass wir im Auto schlafen würden und dass sie am nächsten Tag gern mit uns weiterfahren könne.
    »Am Konfirmationstag«, sagte Anne.
    Wir waren beide müde, und als wir die Reste der spanischen Burger gegessen und das spanische Mineralwasser getrunken hatten, legte Anne ihren Kopf auf meinen Schoß und schlief ein.

BLUT UM DEN MUND
    Ich schlief nicht. Ich sah sie an.
    Ich dankte Gott, auch wenn es ihn vielleicht nicht gab, dass Anne da war. Ich dankte, dass er es so geregelt hatte, dass ich ihr begegnet war, und dass wir Liebste waren. Und ich sagte laut, aber leise genug, um Anne nicht zu wecken: Du darfst sie nie von mir gehen lassen.
    Dann schlief ich
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