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328 - Flucht aus dem Sanktuarium

328 - Flucht aus dem Sanktuarium

Titel: 328 - Flucht aus dem Sanktuarium
Autoren: Mia Zorn
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groß war dieser Brocken?
    »An der breitesten Stelle misst er hundertzwanzig Meter«, sagte Takeo, als hätte Matt die Frage laut gestellt. »Nach meinen Berechnungen wird er in sechs Stunden im Südpazifik einschlagen und eine Flutwelle auslösen... Moment...« Auf dem Monitor vor Matt wechselte das Bild. Eine geographische Karte erschien. »Der Osten Australiens und die ganze Westküste Südamerikas werden betroffen sein.«
    »Sind beide zu weit entfernt«, sagte Matt. »Gibt es zu erwartende Zerstörungen in unserer Reichweite?«
    »Weil die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika untergegangen ist, erreicht die Welle auch die Südküste von Jamaika, einer vorgelagerten Insel der Großen Antillen im Karibischen Meer«, erklärte Takeo. »Das liegt beinahe auf unserer Flugroute.«
    »Wann genau?«
    »Etwa fünf bis sechs Stunden nach dem Einschlag des Meteoriten.«
    Während Matthew nachdenklich die Grafik betrachtete, sprach Xij aus, was er dachte: »Ist die Gegend dort überhaupt noch bewohnt?«
    »Schwer zu sagen. Liegt Kingston nicht im Süden Jamaikas? Wir könnten versuchen, die Menschen dort vor der nahenden Gefahr zu warnen. Die Frage ist aber, ob dafür genügend Zeit bleibt.«
    Ein Blick auf den Navigationscomputer verriet Matt, dass sich das Shuttle mittlerweile vor der Nordküste Kolumbiens befand. Wie lange würden sie für die Strecke zur Karibikinsel brauchen?
    Rasch gab er einige Daten ein. Kurz darauf beantwortete das System, was er wissen wollte: Knapp tausend Kilometer Luftlinie betrug die Entfernung zur Hauptstadt Jamaikas. »Wir benötigen annähernd drei Stunden für die Strecke nach Kingston.«
    »Dann bleiben noch acht Stunden für eine Evakuierung«, bemerkte Miki Takeo. »Selbst wenn die Leute dort technisch gut ausgestattet sind, wird das knapp.«
    ***
    Hope River im Süden Jamaikas
    Zum gleichen Zeitpunkt, als Matt und seine Gefährten sich entschieden, der karibischen Insel einen dringlichen Besuch abzustatten, fand dort eine seltsame Versammlung im Hinterland von Haboor – dem ehemaligen Harbour View südöstlich von Kingston – statt. Am Flussufer, verborgen im Schilf, hockten zwei Dutzend Männer vor der Hütte des alten Juan beieinander.
    Bei den meisten von ihnen handelte es sich um Rastaffs, eine Minderheit der hiesigen Bevölkerung. Ihre Haut war wesentlich dunkler als die der Chaymacaner, wie sich die Einheimischen nannten, und das lange Haar trugen sie zu Dreadlocks gezwirbelt wie Turbane auf ihrem Kopf. Das tägliche Brot verdienten die Rastaffs mit dem Handel von Ganja, Coffey, seltenen Schmetterlingen und den fast ausgestorbenen Todis – kleine grüne Rackenvögel mit rot leuchtender Kehle, die hierzulande als Delikatesse galten.
    Die Rastaffs lebten im Ufergebiet des Hope River in einfachen Hütten aus Schilf und Stroh. Oft waren sie wochenlang unterwegs, um in den Mangrovenwäldern an der Küste ihre Waren zu besorgen und diese dann in den Dörfern und auf dem Markt von Kingston zu verkaufen. Dazu mussten sie sich einmal im Jahr einen Erlaubnisschein in der Residenz des Gouverneurs abholen.
    Zum Schutz vor gewalttätigen Übergriffen, die leider immer wieder an der Tagesordnung waren, begleiteten sie stets ihre Cilluras: abgerichtete Riesenleguane mit messerscharfen Zähnen. Hatten die Rastaffs ihre Geschäfte erledigt und ihre Vorräte aufgefüllt, kehrten sie zu ihren Behausungen zurück. Dort widmeten sie sich dann ihren bescheidenen Ganjaplantagen und verbrachten die Zeit mit ihren Familien und Freunden. So lange, bis ihre Vorräte zur Neige gingen.
    Zurzeit waren ihre Kammern gefüllt und fast jeden Abend trafen sie sich am Fluss. Bis tief in die Nacht saßen sie beisammen, rauchten ihre Ganjapfeifchen, sangen alte Weisen, lauschten den Geschichten des Fischers Juan oder diskutierten mit Freunden aus Haboor über die Zustände, die in der Hauptstadt herrschten.
    Normalerweise ging dieser Gedankenaustausch ruhig vonstatten. Mit unverbrüchlichem Optimismus gesegnet und angenehm sediert von der Wirkung das Ganjakrauts, verloren die dunkelhäutigen Rastaffs nur selten ihre Fassung. Verlautbarungen, die ihnen nicht gefielen, bedachten sie mit einem milden Lächeln, und gegensätzliche Meinungen verkündigten sie stets mit einem freundlichen Singsang in der Stimme.
    Doch als ihr Freund Pedró ihnen jetzt den Plan unterbreitete, in den Norden zu gehen und zuvor die Gefangenen aus dem Zwangsarbeiterlager bei den Zuckerrohrfeldern zu befreien, erstarb ihr Lächeln. Der
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