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313

313

Titel: 313
Autoren: B Tewaag
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Koks ziehe oder noch schlimmer, Speed oder so. Ich drehe dann völlig auf. Aber dadurch, dass ich allen Suchtmitteln bis auf Zigaretten Adieu gesagt habe, denke ich: Nun gut, da musst du jetzt halt Kaffee trinken. Ist zwar doof, aber es ist auch ein Zeitvertreib. So habe ich das Kaffeetrinken angefangen, was dann später völlig eskaliert ist, weil ich natürlich nichts in Maßen genießen kann.
    Auf einmal wird meine Nummer über Lautsprecher aufgerufen. Ich bekomme es zuerst nicht mit. Den ganzen Tag werden Sachen aufgerufen, und mein Unterbewusstsein ist leider noch nicht so weit, dass es meine Nummer da rausfiltert. Doch die Schildkröte hat aufgepasst.
    »Häftling 108. Melden Sie sich beim Arbeitsdienst.«
    Die Schildkröte schickt mich über den Hof zu einem kleinen Häuschen mit Büro. Darin sitzt Herr Fuchs, der unfreundlichste Beamte, dem ich bisher begegnet bin. Roter Vollbart, spitze Zähne, wie ein Fuchs eben. Er schaut mich nicht an. Er schaut immer nur in seine Unterlagen oder woanders hin.
    »Herr Stein, ich hab Sie zur Arbeit in der Metzgerei eingeteilt. Lassen Sie sich von der Zentrale sagen, wo das ist, und vorher gehen Sie noch auf die Kammer und holen sich Ihre Arbeitskleidung ab. Morgen früh geht’s los.«
    »Das ist ja ganz schön schnell.«
    Und er gleich: »Ist Ihnen das zu schnell oder was?«
    Ich war gerade erst angekommen und in Gedanken noch beim Einrichten, wann ich meinen Wecker bekomme und die Nachttischlampe und so. Ich fand auch die Gespräche bei Kaffee und Kuchen nicht schlecht. Wieso denn jetzt arbeiten?
    Aber was soll’s.
    Ich gehe also über den Hof zur Kammer und klingele. Macht der Beamte auf und meint, welche Probleme ich habe.
    »Keine Probleme.«
    »Hier stehen die Öffnungszeiten der Kammer.«
    Er zeigt auf das Schild, das neben der Tür angebracht ist. Die Kammer hat zweimal am Tag für ganze zwanzig Minuten auf. Das ist der totale Eierschaukeljob.
    »Das sind die Zeiten, wo die Häftlinge ihre Pakete abholen können, wenn eins da ist, oder Arbeitsklamotten tauschen.«
    »Entschuldigung, aber der Herr Fuchs hat gesagt, dass ich mir jetzt meine Sachen holen soll für die Metzgerei.«
    Ich merke, wie ich mich hier die ganze Zeit entschuldige.
    Tür zu. Er funkt den Fuchs an. Tür wieder auf.
    »Sagen Sie das doch gleich.«
    Ich bekomme zwei Metzger-Outfits. Hose, Jacke, Gummistiefel, Unterhemd, Mütze, alles weiß, also eigentlich wie ein Koch, großartig. Damit stiefle ich rüber zur Metzgerei.
    Ich stehe in einem riesigen Arbeitsraum, der sich an die Küche anschließt, mit Zerlegetischen, Kochbänken, einem riesigen Fleischwolf. Daran arbeiten die Häftlinge, alle in meiner Optik, überwacht von der Metzgerzentrale, in der Herr Wetzel sitzt, ein dicker, lustiger Beamter, der wie ein Metzger aussieht.
    Ich sag: »Herr Fuchs hat gesagt, ich soll mich hier melden.«
    Und Herr Wetzel: »Ja, ich hab Sie persönlich angefordert.«
    »Warum haben Sie mich denn persönlich angefordert?«
    »Weil Sie in Ihrem Leben mal richtig arbeiten sollen.«
    »Ich hab in meinem Leben schon richtig gearbeitet.«
    »Aber nichts Gescheites.«
    Ich soll morgen halb sechs hier sein, und als ich sage, dass ich keinen Wecker habe, meint er, dann würde er mich holen. Ich bin den zweiten Tag im Knast, und sie schießen mich rum wie die Kugel in einem verdammten Flipperautomaten.
    Die Beamten wissen natürlich alle, wer ich bin. Ich sehe das in den Augen der Leute, wenn sie mich erkennen. Dabei wissen sie nichts über mich. Aber hier sind sie wohl davon ausgegangen, dass ich mit Hummer und Champagner anreise. Ich freue mich schon auf die Enttäuschung in ihren Gesichtern, wenn die feststellen, wie ich mit den Dingen umgehe.
    »Metzgerei?«, sagt die Schildkröte, als ich auf dem Rückweg in seiner Zelle vorbeischaue, »das ist doch ’ne feine Sache.«
    Normalerweise wartest du zwei bis drei Wochen, um in der Metzgerei arbeiten zu dürfen, und wenn du mit der Arbeit klarkommst, ist das ein sehr guter Job. Du fängst früh an, bist Mittag fertig, musst am Nachmittag nicht mehr arbeiten und sitzt auf dem kompletten Kühlschrank. Es heißt Metzgerei, aber es ist eigentlich alles, nicht nur Fleisch und Käse. Du darfst natürlich nichts klauen, und du darfst dich schon gar nicht erwischen lassen, aber du kommst an Nahrungsmittel ran, davon können andere Gefangene nur träumen. Du hast ein super Frühstück und apropos Äpfel oder so, da gehst du in die Kühlkammer und stehst vor Europaletten voll
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