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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf
Autoren: Will Berthold
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sich. Sie wischt sich mechanisch die Hände an der Schürze ab und kommt näher, sieht Klaus, ihren Mann, ernst an. Er nickt ihr zu. Er hält sein Kind an der Hand fest, das neugierig und etwas erschrocken die fremde Frau ... die eigene Mutter betrachtet.
    »Bist du wieder da?« fragt Doris leise.
    »Ja«, antwortet Klaus, »und diesmal für immer ... und nicht allein ...«
    Die Augen von Doris streicheln das Kind. Automatisch entspannt sich ihr Gesicht. Sie will etwas fragen. Die Lippen zucken hilflos. So steht sie einen Moment hölzern da, während Klaus ohne weitere Einleitung sagt:
    »Sieh’ ihn dir einmal ganz genau an ...«
    Der Blick von Doris gleitet ab, saugt sich an dem Jungen fest. Ihr Mund öffnet sich halb. Nie wird Klaus diese erste Sekunde des Erkennens vergessen. Und immer wird er wissen, wie schön es war, dafür gelebt und gekämpft zu haben.
    »Nein«, sagt Doris wie benommen. Der Schock ist so groß
    wie die Freude, der Zweifel so stark wie die Ahnung. Sie stützt sich schwer am Zaun fest.
    »Klaus«, sagt sie leise, »bitte ... das gibt es nicht ... das ...«
    »Doch«, antwortet er ruhig, »das ist wirklich dein Kind ... unser Kind ... nicht wahr, Klaus?«
    »Ja«, erwidert der Dreijährige ernst und folgsam. Da geht Doris auf ihn zu, zieht ihn an sich. Der Kleine will zurückweichen. Dann lacht er, schlingt die dünnen Arme um die erste, einzige Mutter seines bescheidenen Lebens. So zieht ihn Doris ins Haus. Als Klaus Steinbach langsam und nachdenklich die Diele betritt, stehen dort seine beiden kleinen Buben nebeneinander. Doris kniet zwischen ihnen.
    »Siehst du, Klaus«, sagt sie lachend wie weinend, »das ist dein Brüderchen ...«
    Sie sagt es zum einen wie zum anderen. Sie heißen ja beide Klaus.
    Der Schock löst sich in Tränen auf. Sie laufen der jungen Frau über das Gesicht. Sie steht auf, lehnt sich gegen ihren Mann.
    »Wie kam ... Was ist ...«, fragt sie betroffen.
    »Später ...«, entgegnet er.
    Doris sieht ihn ängstlich an.
    »Es bleiben beide unsere Kinder?«
    »Beide«, erwidert Klaus fest, fast feierlich.
    »Und du willst das wirklich?«
    »Ich wollte nie etwas anderes«, antwortet Klaus, nun echter Heimkehrer aus dem Krieg, friedlich und befriedet, glücklich und beglückt, weich und gelöst, hart geworden und weich geblieben. »Aber ich konnte es dir nicht sagen, ohne dich unglücklich zu machen ... und deshalb hast du mich nicht verstanden ...«
    »Mein Gott«, erwidert Doris.
    Und in dieser Sekunde begreift sie alles, die Last, die er trug, das Opfer, das er brachte, die Verzweiflung der letzten Jahre, die Lüge der Menschlichkeit, die ihn so unmenschlich quälen 316
    mußte. Und so steht sie beinahe ergriffen vor ihm, liebt ihn wie nie zuvor, legt ihre Arme um ihn, drückt sich gegen ihn. Es ist die erste, echte Umarmung seit dem Ende des Krieges
    ... •
    Westroff-Meyer trug nicht das Antlitz eines Menschen, sondern die Fratze des Teufels. Er trommelte mit den Fäusten gegen die graugetünchten Wände. Aber die Mauern hielten so dicht, wie die Beweise vor Gericht. Er riß sich die Kleider in Fetzen. Sein Atem rasselte stechend durch die Lungen. Er brüllte, schrie, tobte. Er weinte. Er lachte. Er bereute und er tötete in der nächsten Minute wieder. Er bat die Menschen, die er haßte, um Gnade. Er bot ihnen alles, außer dem Leben. Das Mitleid mit sich selbst raste durch seinen Körper. In diesen Stunden wollte er Tote lebendig machen. Aber sie waren vermodert. In Polen. Frauen, Kinder, Männer ... vergast, erstochen, zertrampelt, erschossen, verscharrt, vernichtet, liquidiert. Ihr letzter Blick, ihr letzter Fluch, ihr letztes Gebet hatten sich zu erfüllen.
    An dem früheren SS-Obersturmbannführer Westroff-Meyer, dessen Uhr abgelaufen war.
    In sieben Stunden. Die äußerste Strafe war mild genug: ein einziger Tod für das Leiden in Polen, für die Gehängten an den Bäumen, für den Verrat an den Kameraden, für jede Art von Gemeinheit, Verbrechen und Perversion.
    Das Urteil war gesprochen. Das Gnadengesuch verworfen. Der Henker bestellt. Der Sarg geöffnet. Aus dem aufgeworfenen Grab griff die Schuld mit Knochenarmen nach ihm, nach seinem Hals, nach seinen Haaren, nach seinem Atem, nach seinem Herzen.
    Er stand und horchte. Er stöhnte und röchelte. Der Priester kam.
    »Wollen Sie Ihr Gewissen erleichtern?«
    »Nein!« brüllte Westroff-Meyer.
    Dann holte er den Mann im schwarzen Rock zurück.
    »Ja«, sagte er, »ich habe ...«, begann er, »ich bin ein ... ich
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