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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II
Autoren: Karl May
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Augen geöffnet hatte und nun den entsetzten Blick auf seine Umgebung richtete. Auch der Dschellabi war erwacht und schaute ebenso erschrocken wie der andere umher. Während die Asaker die Gefangenen und die Kamele nach Beute untersuchten, was ich ihnen nicht verwehren konnte, setzte ich mich neben dem Fakir nieder. Er schloß die Augen, ob aus Schwäche, vor Wut oder Scham, das war mir gleichgültig.
    „Sallam, ia Weli el kebir el machhur – sei gegrüßt, du großer, berühmter Heiliger!“ sagte ich. „Ich freue mich, dich hier zu sehen, und hoffe, daß du dich glücklich fühlst, mein Angesicht zu schauen.“
    „Sei verflucht!“ knirschte er halblaut und ohne die Augen zu öffnen.
    „Du hast dich versprochen. ‚Sei gesegnet!‘ wolltest du sagen, denn ich weiß, wie groß deine Sehnsucht nach mir war. Du sandtest doch sogar Boten aus, welche meinen Aufenthalt erforschen sollten. Leider aber sollte deine Sehnsucht eine mir verderbliche sein, denn du wolltest meine Asaker erschießen und mir die Zunge und die Hände abschneiden lassen, um mich dann an den grausamsten Negerfürsten zu verkaufen.“
    „Er ist allwissend!“ entfuhr es ihm, indem er die Augen öffnete und diesen Ausruf gegen seinen Gefährten richtete. Der Blick des letzteren ruhte groß, offen und mit dem Ausdruck tödlichen Hasses auf mir. Ich nickte ihm freundlich zu und sagte:
    „Du hattest vollkommen recht, als du mir sagtest, daß ich dich bald wiedersehen und dich dann kennenlernen würde. Wir sind, obgleich du nach El Fascher wolltest, schon nach so kurzer Zeit wieder beieinander. Ich bin ganz entzückt darüber, denn es ist der Beweis, daß ich dich ganz richtig beurteilt habe, du bist es, der den Gedanken, mir die Zunge und die Hände zu nehmen, erfunden hat, und du täuschst dich nicht, wenn du die frohe Überzeugung hegst, daß ich dir meinen Dank für diese Erfindung nicht vorenthalten werde.“
    „Ich verstehe dich nicht!“ antwortete er. „Warum bin ich gebunden? Warum habt ihr uns überfallen? Was könnt ihr uns beweisen? Ich verlange, losgebunden zu werden.“
    „Diesen Wunsch wird man dir auf das bereitwilligste erfüllen, und zwar in dem Augenblick, in welchem man dich dem Henker übergibt.“
    Er machte eine hastige Bewegung des Widerspruchs und öffnete die Lippen zu einer Entgegnung; ich ließ es aber nicht zu derselben kommen, indem ich schnell fortfuhr:
    „Ereifere dich nicht, und gib dir keine Mühe! Du bist viel zu dumm, mich zu täuschen. Ein Mensch wie du sollte daheim bleiben und ja nichts anderes tun als seine eigene Albernheit beweinen. Du warst, als du heute zu uns kamst, noch nicht vom Kamel gestiegen, so wußte ich schon, wes Geistes Kind du bist. Kennst du die Fabel von der Bakka (Wanze), welche den Bu Husain (Fuchs) überlisten wollte?“
    „Was geht mich diese Fabel an, welche jedem Kind bekannt ist!“ fuhr er mich an.
    „Sehr viel, denn du gleichst dieser Bakka, indem du auf den geradezu verrückten Gedanken gekommen bist, mich übertölpeln zu wollen. Das würde selbst einem tausendmal klügeren Menschen nicht gelungen sein. Wie du, dessen Kopf nicht eine Spur Gehirn enthält, annehmen konntest, daß es dir gelingen werde, mich zu täuschen, das kann ich mir nur durch deine unendliche Albernheit erklären. Du und einen deutschen Effendi überlisten! Das ist ganz genauso wie in der Fabel von der Bakka, welche sich an den Bu Husain wagte.“
    Es war nicht etwa Überhebung von mir, daß ich den Mund so voll nahm; eine weniger hochmütige Ausdrucksweise hätte ihren Zweck nicht erreicht. Der Erfolg blieb nicht aus, denn er antwortete im zornigsten Ton:
    „Wie kann ein Giaur sich einem wahren Gläubigen gegenüber in dieser Weise überheben! Wärst du so klug, wie du dich dünkst, so würdest du längst von deinem Irrglauben abgewichen sein. Nimm uns sofort die Fesseln, welche durch deine Hände beschmutzt sind, ab, sonst –“
    „Schweig!“ unterbrach ich ihn. „Wage nicht etwa, mir zu drohen; ich würde dir mit der Peitsche antworten! So hündisches Gezücht bekommt Hiebe, wenn es bellt. Und wenn du deine jetzige Lage so wenig begreifst, daß du es wagst, zu fordern anstatt demütig zu bitten, so werde ich sie dir auf eine Weise zur Erkenntnis bringen, daß dir der Hochmut schnell vergehen soll!“
    „Das wirst du unterbleiben lassen, denn ich bin Scheik!“ wendete er ein.
    „Pah! Ein armseliger Beduinenscheik ist gegen das, was ich bin, gar nichts. Übrigens hast du behauptet, ein
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