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274 - Die dunkle Seite des Mondes

274 - Die dunkle Seite des Mondes

Titel: 274 - Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Oliver Fröhlich
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Scheibe, doch dann habe ich begriffen. Wieder bin ich in eine neue Welt gereist. Der Eisenvogel hat mich zum Mond gebracht. Ich versuche nicht mehr zu verstehen, wie das sein kann. Das Schiff, auf das mich Mutter geschickt hatte, um die Kraft der Lebenden aufzunehmen, muss ein Himmelsschiff gewesen sein . [2]
    Ich lache bei dem Gedanken. Befinde ich mich nicht doch eher in der Hölle, von der Bartolomé de Quintanilla stets erzählte? Als Strafe für meine Taten? Für mein Versagen gegenüber Margarita? Für mein Versagen gegenüber Mutter ? Hat mir das Schicksal deshalb die Welt, wie ich sie kannte, entrissen und an den Himmel verbannt?
    Wie lange bin ich schon hier? Wie schnell vergeht die Zeit in der Hölle? Wenn man einen Tag danach bemisst, ob die Sonne am Himmel steht, weile ich erst seit fünf oder sechs Tagen an diesem staubigen Ort. Doch die Tage erscheinen mir ungleich länger als noch auf der Erde. Und die Nächte sind schier unerträglich. Aber wenigstens kann ich in ihnen die Sterne sehen.
    Ich bin Alfonso Eduardo Derdugo Alvarez. Ein Gestrandeter.
    Immer wieder muss ich mir dies sagen. Um es nicht zu vergessen. Um mich nicht zu verlieren.
    Und dann ist da dieser andauernde Ruf. Mutter will, dass ich zu ihr zurückkehre. Dabei hat sie mich doch hierher geschickt. Ich sollte nicht nur die Kraft der Lebenden auf dem Schiff sammeln, sondern auch die derjenigen an einem Ort, den sie Station nannten. Ich habe es getan. Wie Mutter es von mir verlangt hat .
    Ich würde alles tun, was Mutter von mir verlangt!
    Ich sinke zu Boden. Meine Knie hinterlassen keine Eindrücke mehr im Mondstaub. Langsam verfliegt die gesammelte Lebenskraft. Ich glaube und wünsche mir, dass Mutter sie in sich aufgenommen hat. Aber es gibt keine Energie mehr, die ich für sie sammeln könnte. Ich habe die Station durchsucht, diesen riesigen weißen Ring aus Röhren und Spindeln. Ich habe die Kuppel in der Mitte des Rings durchschritten. Wieder und wieder. Ich konnte keinen Lebendigen mehr finden. Keinen einzigen!
    Also habe ich die Weiten der Staubwüste durchwandert, habe mich von Margarita leiten lassen, stets voller Hoffnung, eine zweite Station zu entdecken. Vergebens!
    Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, glaube ich nicht, jemals zu Mutter zurückkehren zu können. Noch immer ist kein Himmelsschiff von der Erde angekommen. Ich befürchte, das, mit dem ich hierher gelangt bin, war das einzige. Und weil es auf dem Mond niemanden mehr gibt, der es zurücksegeln könnte, ist es auf ewig hier gestrandet. So wie ich.
    Ich kauere im Staub und warte.
    Und da plötzlich sehe ich ihn. Einen Eisenvogel! Ich weiß, was es bedeutet, dass ich ihn von hier aus so deutlich erkennen kann. Er ist groß! Viel größer als der erste. In seinem Bauch wimmelt es sicherlich vor Lebenden. Ich stelle mir all die Kraft vor, die ich für Mutter sammeln kann. Ich lache wie ein Kind.
    Weit vor mir steht Margarita. Sie lacht mit mir, freut sich mit mir.
    Ich bin Alfonso Eduardo Derdugo Alvarez. Ich bin ein Gestrandeter. Aber ich habe wieder Hoffnung!
    ***
    Elysium, Mars
    Alix Nugamm saß im Hauptbüro von ProMars im Norden der Stadt an einem Rechner und schwitzte wie noch nie in seinem Leben. Die Schritte, die er von draußen hörte, kamen näher und näher, übertönten sogar sein wummerndes Herz.
    Warum hatte er sich nur auf diesen Wahnsinn eingelassen? Wirklich nur, weil er ProMars eins auswischen wollte? Spielte nicht auch die Tatsache eine Rolle, dass ihm Chandra Tsuyoshi ausnehmend gut gefiel? Die bernsteinfarbenen Augen, das glatte, ebenmäßige Gesicht, die störrischen weißblonden Haare? Gut, sie war bestimmt vierundzwanzig oder fünfundzwanzig Jahre alt, also fast doppelt so alt wie er.(die Lebenserwartung liegt im Schnitt bei 75 Marsjahren, also ca. 140 Erdjahren) Aber was machte das schon aus?
    Nein, natürlich hatte es damit gar nichts zu tun. Das würde seine professionelle Einstellung nicht zulassen. Außerdem hatte er von Anfang an gemerkt, dass er nicht bei ihr landen konnte. Sie schien ihr Herz bereits an einen anderen verloren zu haben, auch wenn sie dabei nicht sonderlich glücklich wirkte.
    Ach ja? Und warum denkst du dann in dieser heiklen Situation ausgerechnet an sie? Sehr professionell, wirklich!
    Er konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe - und die bestand darin, dem Computer gut zuzureden, damit er die Menge an Daten schneller auf den Speicherkristall schrieb. Ein fingergroßer, holografischer Waldmensch schleppte ohne Unterlass
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