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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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gingen durch mehrere enge Gassen und plauderten über dieses und jenes, wobei Sepp sich alle Mühe gab, als Held dazustehen, ohne wie ein Angeber zu wirken.
    Dass der Weg in die Richtung führte, in der auch der Schornstein mit dem Vogelnest lag, kam Sepp sehr zupass. Vor dem Häuschen von Blondynes Großmutter blieben sie kurz stehen und verabschiedeten sich.
    »Schlaft Ihr an Bord des Schiffes?«, erkundigte sich Sepp, um vor dem Zubettgehen noch ein bisschen Konversation zu betreiben.
    »Nein«, erhielt er Auskunft. »Bei meiner Oma sind die Kojen weicher - und außerdem riecht es dort nicht so streng.« Sie kicherte fröhlich und verschwand in dem schmucken Ziegelsteinhaus.
    Sepp verkroch sich in den Schuppen, den der Pope ihm zur Verfügung gestellt hatte. Nun, da er satt war, überkam ihn eine heftige Müdigkeit. Er schwang sich in seine Hängematte und nahm eine Mütze voll Schlaf…
    ***
    Januar 1945
    Vier Türen zierten die Rückseite des Gutshauses. Eine führte in einen Raum, in dem die von Travens ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert aufbewahrten: die Kutsche ihres Ahnen Theobald, den der Alte Fritz nach der Schlacht von Langerfeld in den Adelsstand erhoben hatte. Zwei weitere Türen führten in Garagen, die in normalen Zeiten den Benz seines Vaters und den Maybach seiner Mutter beherbergten.
    Die vierte Tür führte in die Wohnung des Herrn Melzer. Herr Melzer war nicht nur der Chauffeur des Hausherrn, er hatte auch den grünen Daumen und sorgte dafür, dass der Park und die hinter dem Gebäude liegenden Treibhäuser nicht verkamen. Bei den von Travens war es nämlich Tradition, dass man sich nach Möglichkeit von Märkten unabhängig ernährte, und zwar ganz besonders im Bereich Obst, Gemüse und Salat.
    Da Herr Melzer wie auch das andere im Hause wohnende Personal nun wahrscheinlich mit einer Panzerfaust in einem eiskalten Schützengraben lag und darauf wartete, dass der Iwan ihm das Lebenslicht ausblies, war seine Wohnung einsam und verlassen.
    Den Schlüssel hatte Hasso vom oberen Türrahmen geklaubt, wo er seit ewigen Zeiten seinen Stammplatz hatte. Es war kalt in der Wohnung - und so unpersönlich wie nie. Herr Melzer hatte seinen ganzen Besitz in Koffer und Kartons verpackt und im Korridor seiner Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung deponiert. Hatte er etwa vor seiner Einberufung den Plan verfolgt, auf einen anderen Kontinent auszuwandern?
    Dann fiel Hasso ein, dass Herr Melzer Jude war, was für die von Travens nie eine Rolle gespielt hatte. Angesichts der zusammengepackten Habe wurde ihm eigenartig zumute: Dass man den Mann eingezogen hatte, war eher unwahrscheinlich.
    Hasso tastete sich durch die Wohnung und verließ sie durch einen Ausgang, der zu den Garagen führte. Er sah weder den Maybach noch den Horch und atmete auf. Wenn die Roten wirklich seine Heimat einnahmen, sollte zumindest nicht irgendein Polit-Kommissar oder GPU-Mann die teuren Karren zu Schrott fahren.
    Eine weitere Tür und eine schmale Treppe führten Hasso in die Große Halle im Hochparterre. Sie war finster und kalt. Die wie Silberstatuen auf Marmorfundamenten ruhenden Ritterrüstungen wirkten in der eisigen und zwielichtigen Atmosphäre wie Boten einer längst vergangenen Zeit.
    Hassos Blick wanderte die Treppe hinauf, die Theobald von Traven vor hundert Jahren aus feinstem italienischem Marmor hatte bauen lassen.
    Irgendwo dort oben, hinter der Galerie, in den vielen Räumen seines Elternhauses, bewegten sich anonyme Schatten, und eine Stimme nölte: »… aber 'n bissken plötzlich , wenn ich bitten darf!«
    Hasso ballte die Hände zu Fäusten. Na schön, er wusste, dass die Zeiten alles andere als normal waren. Aber irgendwie regte es ihn maßlos auf, dass uniformierte Barbaren ihm den Zutritt zu seinem Elternhaus verwehrten und sich am Eigentum seiner Familie zu schaffen machten. Er ließ die Kellertür lautlos hinter sich ins Schloss fallen und machte einen Schritt nach vorn.
    Jemand öffnete das Portal von außen. Hassos Blick fiel auf Scharführer Glitsch und die beiden Wachtposten. Im gleichen Moment drückte jemand einen kalten metallischen Gegenstand an seinen Hals und zischte: »Flossen hoch!«
    Dass er dem Befehl des Unsichtbaren nicht sofort Folge leistete, lag an seiner unterdrückten Wut.
    Hasso duckte sich wie der Blitz und fuhr herum. Seine Handkante traf die Armbeuge eines Uniformierten. Er stand neben der Kellertür. Hasso hatte ihn zuvor nicht wahrgenommen.
    Der Mann schrie auf, als Hasso sein Gelenk traf. Die
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