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260 - Fly me to the moon

260 - Fly me to the moon

Titel: 260 - Fly me to the moon
Autoren: Manfred Weinland
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männliche Angehörige seines Stammes musste diese Mutprobe einmal im Leben bewältigen. Die Alten erzählten an den Feuern, dass nicht alle, die zur Nachbarinsel aufbrachen, auch wieder zurückkamen. Biroo wusste nicht, ob sie das nur sagten, um den Jüngeren, denen die Bewährungsprobe noch bevorstand, Angst einzuflößen. Zuzutrauen wäre es ihnen, dachte er.
    Aber sicher konnte er sich nicht sein.
    Unbekannte Gefahren mochten auf der großen Insel lauern, die nur selten von Erwachsenen besucht wurde. Gegenwärtig war der Ertrag an Nahrungsmitteln auf der eigenen Insel noch völlig ausreichend. Und je nach Wetterlage war die Fahrt hierher auch nicht völlig ungefährlich, ganz davon abgesehen, dass sie Zeit kostete – Zeit, die zuhause nutzbringender aufgewandt werden konnte.
    Biroo streifte die Gedanken, die unentwegt um sein Dorf und seine Leute kreisten, ab. Er konnte nicht ewig hier im pappigen Sand stehen bleiben und sich begießen lassen. Die Mutprobe bestand nicht nur aus der anstrengenden Fahrt hierher im Einbaum, sondern auch darin, den Beweis mit nach Hause zu bringen. Den Beweis, hier gewesen zu sein. Das Blatt, das er unweit der Anlegestelle seines Bootes gefunden hatte und seither als Schutz gegen den Regen über sich hielt, war dafür völlig ungeeignet. Treibgut wie dieses fand man oft draußen auf See, besonders nach Stürmen, wie sie in den vergangenen Monden häufig gewütet hatten.
    Nein, die Vorstellung der Ältesten war sehr speziell, und Biroo wusste, dass er mit nichts anderem ankommen durfte als einem der besonderen Steine, die im Wald zu finden sein sollten.
    Er blinzelte.
    Sein Blick war durch eine Lücke des Sturzbachs auf die Bäume gerichtet, die sich vor ihm erhoben, und dort zwischen den Stämmen hatte er gerade geglaubt… etwas zu sehen.
    Etwas war vorbeigehuscht. Kein Tier, dessen war Biroo sich sicher; Ein Mensch? Aber die Insel war unbewohnt.
    Erschrocken stand Biroo da. Die Arme wurden schwer, und er ließ das Blatt sinken. Es entglitt seinen zitternden Händen.
    Er versuchte sich Mut zuzusprechen. Einbildung… natürlich, er hatte sich den Schemen nur eingebildet. Und wenn doch nicht …
    nun, dann mochte es sich um einen der Älteren handeln, der ihn das Fürchten lehren wollte, auf dass er diesen Tag niemals mehr vergaß.
    Am liebsten wäre Biroo zurückgerannt zu seinem Boot und hätte mit leeren Händen die Heimfahrt angetreten. Aber das war unmöglich. Noch nie war jemand ohne Beweis zurückgekehrt – abgesehen von denen natürlich, die angeblich ohnehin nie wieder gesehen worden waren…
    Biroo rief sich selbst ein lautloses Stopp! zu. Wenn er so weitermachte, war er es nicht wert, die Reifeprüfung abzulegen, geschweige denn, sie zu bestehen.
    Er schloss kurz die Augen, über die sofort Rinnsale flossen. Der Jüngling sammelte sich, atmete tief ein und aus, ließ keinen Gedanken mehr an sich heran, etwas könne über ihn kommen, ihn anspringen oder zerfleischen, während er wehrlos dastand.
    Er fokussierte sein Denken auf das, was zu tun war, um künftig als akzeptiertes Mitglied des Stammes ein erfülltes Leben führen zu können, eine Frau zu gewinnen, selbst Kinder zu zeugen… Was das anging, hatte er schon ganz konkrete Vorstellungen.
    Nach einer zeitlosen Minute sprangen seine Augen wieder auf.
    Der Regen war nicht schwächer, sondern eher stärker geworden, aber das hinderte Biroo nicht, selbst Stärke zu zeigen. Entschlossen stapfte er auf den Dschungel zu, ignorierte die huschenden Geister, Schatten und Schemen, die ihn begleiteten – falls sie dies taten.
    Sein Blick war zu Boden gerichtet. Ein Stein… ein besonderer Stein musste es sein, wie er nur hier vorkam. Alle, die heimgekehrt waren, hatten dieses Symbol ihres Triumphs mitgebracht. Und er würde es auch tun …
    Plötzlich stand jemand auf seinem Weg.
    Biroo blickte auf – und traute seinen Augen nicht. »Mardi! Was… was machst du hier? Du darfst nicht…«
    »Pssst.« Sie hob den schlanken Finger an ihre vollen Lippen, die ihre reine und klare Schönheit noch betonten. Mardi war ein Jahr jünger als Biroo, und alle unverheirateten Männer des Stammes betrachteten sie voller Begehren. Aber bislang hatte Mardis Vater alles Werben abgeschmettert, sodass Biroo sich weiter der stillen Hoffnung hingeben konnte, dass er , sobald er das Reifezeugnis abgelegt hatte, sie vielleicht für sich gewinnen könnte.
    »Wie bist du hergekommen?«, fuhr er fort und sah sich unwillkürlich um. »Mardi, wenn der
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