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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Revolverheld trat an die Seite seines Reittiers und klopfte ihm beruhigend auf den Hals. Er fühlte die stählernen Muskeln darunter.
    Er durfte sich nicht täuschen lassen: Dies war kein Lebewesen, sondern ein Ding, geschaffen von der QUEEN OF ST. LOUIS. Die Sektorknospe verhielt sich nicht fair. Sie arbeitete mit kleinen, fiesen Tricks, um ihn aus der Ruhe zu bringen.
    Nun - damit hatte er gerechnet. Doch schon Großmutter Henri hatte ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit gepredigt, dass er Geduld haben und auf seine Chance warten müsse.
    »Cowboys, die ihre Kugeln im Zorn abfeuern, verlieren«, hatte sie gesagt. »Da ist es einerlei, ob du ein Rudel räudiger Kojoten verjagen möchtest oder mit einer Wildkatze im Bett fertig werden musst. Für beide Gelegenheiten gilt: Lass dich von vermeintlichen Nachteilen nicht kirre machen. Du wartest, Piet. Du drückst erst ab, wenn du das Weiße in den Augen von Bruder Kojote oder Schwester Wildkatze siehst.«
    Piet hatte nicht immer alles verstanden, was Henri ihm erzählt hatte. Doch ihre kernigen Vergleiche waren ihm für alle Zeiten in Erinnerung geblieben, und, gosh, das für alle Zeiten hatte im Laufe der Jahrtausende einen wirklich irritierenden Beigeschmack erhalten.
    Er zupfte die Steigbügel zurecht wie immer und überprüfte den Sitz des Bauchgurts ein weiteres Mal wie immer.
    Dann schwang er sich auf den Gaul. Das Vieh drehte die Augen weit nach hinten, schüttelte dann den Kopf. Strähnige, schweißverklebte Haare flogen durch die Luft, Staub flirrte umher.
    »Ho, Weißer«, sagte Piet Rawland und zupfte am Zügel. Er nahm die Beine vom Körper des Tiers; augenblicklich trabte es los. Er würde es Joanne nennen in Erinnerung an ... Egal.
    Es verließ die Kommandozentrale und glitt in eine sonnenbeschienene, karge Felslandschaft. In der Ferne zeigten sich blaugraue Felsformationen, die dem Vorgebirge der Rockys ähnelten. Es ging hügelan und hügelab, stets in ruhigem Tempo. Das Tier tänzelte unruhig und versuchte mehrmals, nach links auszubrechen. Piet musste es immer wieder beruhigen und versammeln.
    Ein Hain zeigte sich links, völlig unpassend zur übrigen Landschaft. Ein kleiner Bach plätscherte fröhlich durch das trockene Land. Die QUEEN wollte ihn verwirren - oder aber sie hatte den Aufbau einer funktionierenden planetaren Biosphäre noch immer nicht verinnerlicht.
    »Hoah, Joanne!«, beruhigte er das nervöse Tier, bevor es sich aufbäumen konnte.
    Es schreckte davor zurück, ein von mehreren platten Felsen geformtes Plateau zu queren.
    Piet stieg ab und nahm Joanne am Zügel. Schritt für Schritt ging er vorwärts, zeigte dem Tier den richtigen Weg - und wo es dem hier lauernden Viehzeug ausweichen musste. Klapperschlangen gaben zornig Laut, mehrere Skorpione reckten ihre metallenen, gut 30 Zentimeter langen Hinterteile in die Luft.
    Die QUEEN wollte ihn prüfen, ihn nervös machen. Doch sie wusste nicht allzu viel über ihn. Sie hatte keine Ahnung, wie es in seiner Welt wirklich gewesen war und wie gut er sich in dieser öden Wildnis zurechtfand.
    Piet überquerte das Plateau und saß wieder auf. Er führte Joanne an einem breiten Feld dorniger Gewächse vorbei und hinderte sie daran, vom Gras eines plötzlich auftauchenden Grünflecks zu fressen. Er sah die kleinen braunen Pilze rechtzeitig. Sie würden die künstliche Verdauung Joannes irritieren und die QUEEN dazu bringen, sein Reittier sterben zu lassen.
    Piet hatte sich vor dem Abritt mit frischem Tabak eingedeckt. Er leckte das vergilbte Papier entlang des Randes ab, nahm einen Finger voll der herb parfümierten Brösel zwischen die Finger und streute sie ein, um dann die Kippe sorgfältig zu rollen.
    Er drückte seine Beine gegen den Bauch des Ponys. Es blieb widerwillig stehen und schüttelte den Kopf.
    Das Land vor Piet fiel flach ab. Etwa zwei Meilen entfernt sah er eine winzige Ansiedlung. Vier Häuser, die sich gegen das steinerne, längst aufgegebene Gemäuer einer Kirche lehnten. Rechts davon lag ein Friedhof, von schmiedeeisernen Gittern eingezäunt. Mehrere Menschen hatten sich eingefunden, ein Prediger in schwarzem Gewand ließ eine handgroße Glocke erklingen.
    Die Prozession der Menschen entfernte sich. Zurück blieb eine einsame dürre Gestalt, die auf einem Grabstein Platz nahm und wartete, eine Flinte auf dem Schoß.
    Das war es also. An diesen Ort hatte ihn die QUEEN OF ST. LOUIS führen wollen, um den Zweikampf um die endgültige Herrschaft über das Schiff zu
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