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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende
Autoren: Michael Marcus Thurner
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beenden.
    Piet Rawland schwang sich in den Sattel und entspannte seinen Körper. Er ließ Joanne auf dem sanften Geröllabhang möglichst freien Tritt. Da und dort glitzerte der metallene Boden hinter dem Schein hervor, und er passierte am Beginn der Senke ein Steuerpult, wie er es bislang in der Schiffszentrale genutzt hatte. Das Schiff ließ ihn ab und zu wissen, wo er tatsächlich war. Um ihm zu beweisen, über welche Möglichkeiten es verfügte und dass er keinerlei Chance auf einen Sieg im folgenden Zweikampf hatte.
    Piet lachte und spuckte aus. Pflanzen verdorrten, wo sein gut gekauter Pfriem auf den Boden traf. In gewisser Hinsicht war er das Kind einer Superintelligenz. Eine Erinnerung, die sich der Alte aufbewahrt und der er erlaubt hatte, sich zu einer neuen Persönlichkeit zu entwickeln.
    Wer auch immer auf dem Friedhof auf ihn wartete - es juckte ihn gehörig in den Fingern, dem Schiff diese letzte Niederlage beizubringen. Er pfiff den Yankee Doodle und nahm Joanne ein wenig auf. Er ließ das lange Zügel über die Hinterbacken des Pferdes tanzen, sodass es einen weiten Sprung nach vorne tat und nun in den Galopp überging.
    Es empfand sichtlich Freude daran, seine künstlichen Muskelstränge zu strecken und zu dehnen. Warum auch immer - das Derivat der Anthurianer, das im Schiff steckte, hatte dem künstlichen Lebewesen eine gerüttelte Portion an Eigenbewusstsein mitgegeben, wie seit einigen Stunden so vieles an Bord der Sektorknospe vom Geist der längst gegangenen Riesenwale belebt wirkte.
    Er erreichte die Rückseite der Ruine. Eine der daran gelehnten, windschiefen Holzhütten beherbergte den zugleich als Barbier arbeitenden Arzt, in der zweiten zeigten sich die gestapelten Waren eines Drugstores, in der dritten war der Nowhere Telegraph beheimatet, dessen Druckerpresse soeben unter lautem Stöhnen und Ächzen eine Extraausgabe produzierte. Das vierte Gebäude war, wie konnte es anders sein, Hotel und Saloon der winzigen Ansiedlung.
    Piet Rawland stieg vom Pferd und wickelte die Zügel locker über eine verwitterte Holzbohle. Gierig begann das Tier aus einem bereitstehenden Eimer zu saufen.
    Er öffnete die Lederriemen der Sporen und warf sie achtlos in den Staub. Er hatte das Geklimper der Dinger noch nie gemocht. Sein Hintern tat anständig weh; er war diese Ritte nicht mehr gewohnt, und er nahm sich vor, von nun an zumindest alle tausend Jahre einen Gaul zu besteigen.
    So er die Gelegenheit dazu bekam.
    Er schob die Schwingtüren beiseite und betrat den Saloon. Jemand hatte mit unbeholfener, krakeliger Schrift »Fatso's« über den Eingang geschmiert, und dieser Jemand, gut und gern 150 Kilogramm schwer, stand hinter der Bar und hauchte ein verschmutztes Glas an.
    »Schönen Tag auch«, sagte Piet zur Begrüßung.
    Die Gäste wandten sich ihm allesamt zu. Es waren jene Leute, die er aus der Ferne auf dem Friedhof erblickt hatte. Sie murmelten Begrüßungen, um sich gleich darauf wieder ihrem Kartenspiel zu widmen oder die Nasen traurig in kleine, mit bernsteinfarbener Flüssigkeit gefüllte Gläser hängen zu lassen.
    »Whiskey?«, fragte Fatso.
    »Ich denke schon. Einen kleinen bitte.«
    Piet trat zur Bar, stieg mit einem Bein auf die Messing-Reling und lehnte sich bequem an.
    Der Dicke nahm ein Halbliterglas und schenkte ein. Er leerte die Flasche zur Gänze; das Glas war nun zu einem Drittel gefüllt. Er entkorkte zwei weitere Buddeln und vermengte die verschiedenfarbigen Inhalte. Endlich, endlich füllte sich der Humpen. Er zeigte ein sanftes Braun, in dem Schwebeteilchen verquirlten.
    »Danke«, sagte Piet. Er griff nach dem Glas und tauchte die Zunge in die Flüssigkeit. Sie brannte wohlig warm auf der Zunge.
    »Macht einen Dime«, verlangte Fatso.
    Piet griff in die Jackentasche. »Nimmst du eine Uhr in Zahlung? Sie ist aus Holz gefertigt. Ich hatte mal eine Raketa in Aussicht, konnte mich aber nicht von dem guten Stück trennen.«
    Der Bartender griff nach der Zwiebel und beäugte sie argwöhnisch. »Sie steht.«
    »Womit garantiert ist, dass sie am Tag zweimal die richtige Zeit anzeigt, während, wie wir beide wissen, alle anderen Uhren entweder vor- oder nachgehen.«
    »Da ist was Wahres dran«, murmelte Fatso. »Elf sechsundfünfzig. Das ist eine gute Zeit.«
    »Ich weiß. Hab ich schon immer gewusst.«
    »Ich nehme sie. Wenn du möchtest, kannst du dafür noch einen Schluck haben.«
    »Nein danke. Ich habe etwas zu erledigen und ich brauche eine möglichst ruhige Hand.«
    »Cheers,
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