245 - Geisterstadt Washington
etwas Unanständiges getan, riss die Cross sie zurück. »Der Urheber der Krankheit konnte noch nicht identifiziert werden«, fuhr sie nun in gereiztem Ton fort. »Ich vermute, dass es mit dem Ding zusammenhängt, aber dazu müssten die Betroffenen direkten Kontakt mit ihm oder seinem Schleim gehabt haben. Zumindest wissen wir nichts –«
Ein Hustenanfall von Trashcan Kid unterbrach ihre Worte. Der junge Mann mit der Holzprothese an seiner Linken und dem rostigen Helm auf seinem Drahtwolleschopf war kreidebleich. Seine Freundin klopfte ihm auf dem Rücken. »Sorry… sorry«, stammelte er.
Kareen Hardy sah ihn erstaunt an. So weit sie sich erinnern konnte, hatte sie noch nie erlebt, dass der Führer der Kids-Gang sich jemals entschuldigt hatte. Schon gar nicht für so etwas Belangloses wie einen Hustenanfall.
Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, wurde die vorläufige Evakuierung der Kranken in den hinteren Räumen des Bunkers beschlossen. General Garrett empfahl, das Ganze heimlich zu organisieren. »Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Leute aus Angst vor einer Seuche in Panik ausbrechen«, betonte er mit brüchiger Stimme.
Als wäre das sein Stichwort, erhob sich jetzt Richter Black. »Ich befürchte, es wird genauso wenig geheim zu halten sein wie die immer knapper werdende Atemluft.« Er berichtete von den andauernden Tumulten beim U-Bahnschott und von dem narbengesichtigen Miles Breaker, der die Leute verrückt machte und der spurlos verschwunden blieb, nachdem ihn ein unbekannter Bunkersoldat aus dem Gefängnistrakt geholt hatte. Bei diesen Ausführungen warf er dem Bürgermeister einen viel sagenden Blick zu. »Ich denke, der Zeitpunkt ist gekommen, den Leuten die Wahrheit zu sagen. Sowohl was die Infektionen betrifft, als auch die immer knapper werdende Atemluft. Denn machen wir uns nichts vor: Von den Androiden wird es kein Lebenszeichen mehr geben. Je besser die Leute auf das vorbereitet sind, was da auf sie zukommt, desto eher lässt sich eine Panik vermeiden.«
Damit setzte er sich wieder und betroffene Stille trat ein. Nach Minuten des Schweigens ergriff die Präsidentin wieder das Wort. »Mr. Black hat recht, wir dürfen uns nicht von Nebensächlichkeiten aufhalten lassen, sondern müssen nun konkrete Vorbereitungen für Plan B treffen –«
Weiter kam sie nicht. Bruder Faith sprang von seinem Stuhl auf. »Nebensächlichkeiten? So nennen Sie also diese Seuche, die unsere letzten Gläubigen dahinrafft?!«, rief er aufgebracht.
»Selbstverständlich wird die Ursache der Krankheit weiter erforscht«, entgegnete Cross scharf. »Doch jetzt heißt es Prioritäten setzten, Mr. Faith!«
»Ha! Diese Prioritäten schließen doch die armen Menschen in der Krankenstation aus! Ich habe immer geahnt, dass wir in Ihren Augen –«
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Captain Percival Roots stürmte herein. »Sabotage!«, wandte er sich atemlos an General Garrett. »Sir, die Funkgeräte wurden zerstört!«
Der General sprang von seinem Stuhl auf. »Zerstört?«, keuchte er. »Wie konnte das geschehen? Die Order, die Androiden weiter anzufunken, wurde nicht aufgehoben. Die Geräte waren also nie unbeaufsichtigt… oder?« Schwer stützte Garrett sich auf die Tischplatte. Schweißperlen schimmerten auf seiner Stirn.
Roots wurde der Kragen eng. »Der Diensthabende hat sich unerlaubt entfernt« , meldete er. Dann fiel ihm auf, dass mit dem General etwas nicht stimmte. Er trat an die Seite seines Ziehvaters. »Was ist mit dir?« Besorgt fasste er den schwankenden Garrett unter dem Arm.
»Nichts, lass mich«, wies der ihn barsch zurück und versuchte den jungen Captain von sich zu schieben. Jetzt waren alle Blicke auf Garrett gerichtet. »Wie lautet der Name des Diensthabenden?«, wollte er von seinem Ziehsohn wissen. Dabei machte er einen Schritt vom Tisch weg, taumelte und glitt aus. Honeybutt und Black sprangen von ihren Sitzen und liefen zu ihm.
General Diego Garrett lag ausgestreckt auf dem Boden. Roots kniete neben ihm und öffnete Uniformjacke und Hemd: Der Körper des Generals war von Ausschlag übersät. »Holt eine Trage!«, rief Mr. Black.
»Sein Name«, keuchte Garrett.
»Der Name ist doch jetzt scheißegal, Vater. Ich werde mich schon um den Mann kümmern.«
Doch der General ließ nicht locker. Er klammerte sich an Roots’ Arm. »Ich will wissen, wie er heißt!«
»Ronny Jeeps«, sagte Percival. »Ronny Jeeps hat sich unerlaubt entfernt.«
***
Wenige Stunden später
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