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24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition)
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
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Jah­ren ge­tra­gen hat­te.
    Bis die Alb­träu­me be­gan­nen. Zum ers­ten Mal am Tag nach Mir­kos Be­er­di­gung. Dann im­mer öf­ter, bis ihm die Bil­der schließ­lich Nacht für Nacht den Schlaf raub­ten: Er sah Mir­ko auf sei­nem Mo­tor­rad die Straße zum Hof hin­un­ter­fah­ren – ohne Kopf, bis er ir­gend­wann an­hielt, um ziel­los durch das Un­ter­holz zu strei­fen, auf der Su­che nach sei­nem Helm samt In­halt. An­fangs half es noch, wenn er abends trank. Doch bald konn­te Chris­ti­an es we­der leug­nen noch in Al­ko­hol er­trän­ken: Mir­kos Kopf wür­de ihm den Rest sei­nes ver­fluch­ten Le­bens zur Höl­le ma­chen. Im­mer wie­der sah er den Kopf vor sich, so wie er ihn da­mals un­ter ei­nem Busch ge­fun­den hat­te. Mit halb ge­schlos­se­nen Li­dern, den Mund zu ei­nem gro­tes­ken Grin­sen ver­zerrt.  
    Als sein Va­ter vor zwei Ta­gen vom Schlag ge­trof­fen wor­den war, hat­te er die ein­ma­li­ge Ge­le­gen­heit er­kannt, sein Le­ben zu än­dern und sich von Mir­kos Kopf zu be­frei­en.
    Ent­schlos­sen zog er den Reiß­ver­schluss sei­nes Ruck­sackes auf und hol­te den Klapp­spa­ten her­aus. Ener­gisch stieß er den Spa­ten in die Erde, so wie da­mals. Drei Tage hat­ten Po­li­zei und Feu­er­wehr ver­geb­lich den Wald nach Mir­kos Kopf ab­ge­sucht,den Kopf, der in eine Plas­tik­tüte ver­packt in der Scheu­ne sei­ner El­tern lag. 
    Erst als Mir­ko ohne Kopf bei­ge­setzt wor­den war, hat­te er sei­ne Tro­phäe aus dem Vers­teck ge­holt. Wie da­mals glitt der Spa­ten mühe­los in die Wal­der­de. Tief, sehr tief hat­te er ge­gra­ben, um die Hun­de und die Wild­schwei­ne nicht auf dum­me Ge­dan­ken zu brin­gen. Sein Herz sprang ihm bei­na­he zum Hals her­aus, als der Spa­ten end­lich auf den Helm stieß. Mit zit­tern­den Hän­den hob er ihn her­aus und un­ter­drück­te den Wunsch, ihn von sich zu schleu­dern. Doch in Mir­kos Je­thelm kleb­te nur noch ein erd­ver­schmier­ter, hohl­äu­gi­ger Schä­del, des­sen Kinn­la­de lose her­un­ter­hing und der ei­gent­lich nichts Be­droh­li­ches mehr hat­te. Trotz­dem ras­te sein Puls, als Chris­ti­an den Helm samt sei­nes knöcher­nen In­hal­tes im Ruck­sack ver­stau­te. Has­tig schau­fel­te er das Loch aber­mals zu und be­deck­te die Spu­ren mit Laub.
    Die Fracht auf sei­nem Rücken trieb ihn vor­wärts, den Berg hin­auf. Auf der an­de­ren Sei­te der Berg­kup­pe lag das schla­fen­de Dorf. In der neu­en Sied­lung brann­ten noch ei­ni­ge Lich­ter, doch um die Kir­che her­um war al­les dun­kel. Schwer at­mend lehn­te Chris­ti­an sein Fahr­rad an die Fried­hofs­mau­er. Das Tor war ge­öff­net, das wuss­te er. Sein Puls rausch­te ihm so hef­tig durch die Ohr en, dass er das Knir­schen sei­ner Schrit­te auf dem Kies kaum wahr­nahm. Von ei­nem nie ge­kann­ten Grau­en an­ge­trie­ben, has­te­te er die Grä­ber­rei­hen ent­lang, bis er vor dem ge­öff­ne­ten Grab sei­ner Fa­mi­lie ste­hen­blieb. Dort hin­un­ter muss­te er nun, wo der kopf­lo­se Leich­nam sei­nes Bru­ders be­stat­tet lag, und gra­ben. Denn mor­gen wür­de das Loch den Sarg des Va­ters auf­neh­men und zu­ge­schüt­tet wer­den.  
    Chris­ti­an ließ den Ruck­sack in die gäh­nen­de Öff­nung glei­ten, als er hin­ter sich plötz­lich Schrit­te auf dem Kies hör­te. Ent­setzt fuhr er her­um und starrt e die Frau an, die ein paar Me­ter ent­fernt vor ihm stand. Das blon­dier­te Haar hing ihr strup­pig um den Kopf und die Schmin­ke ver­lief auf dem vom Al­ko­hol ge­zeich­ne­ten Ge­sicht. 
    »Ma­ri­na!«
    Grin­send kam sie näher, so dass er ih­ren Wein­bran­da­tem rie­chen konn­te.
    »Ma­ri­na, was...« keu­chend wich er vor ihr zu­rück, in klei­nen Schrit­ten, bis der Ab­satz sei­nes Schuhs die Kan­te des of­fe­nen Gra­bes er­reicht hat­te.
    Chris­ti­an er­starr­te. In dem gäh­nen­den schwar­zen Loch hin­ter ihm ra­schel­te et­was. Ganz deut­lich drang das un­ver­kenn­ba­re Krat­zen ei­nes Reiß­ver­schlus­ses und ein me­tal­li­sches Knir­schen an sein Ohr. 
    Chris­ti­an schrie, riss die Arme nach vor­ne und ver­such­te, sich an Ma­ri­na zu klam­mern. Doch sie war un­er­reich­bar für ihn. Dann gab die Erde un­ter sei­nen Fer­sen nach, und er
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