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2233 - Das Specter

Titel: 2233 - Das Specter
Autoren: Unbekannt
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Charmebolzen wie dem Maulwurf ...
    Das Wesen, das noch keinen neuen Namen besaß und deshalb auf die alten, längst nicht mehr passenden zurückgriff, wollte keinesfalls entdeckt werden. Es war viel zu früh, Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen. Maykie und ihr über zwei Jahrzehnte älteres Ich, der Maulwurf, hatten einander gerade erst gefunden. Das aus ihrer Synthese entstandene Ganze war eindeutig mehr als die Summe seiner Teile. Doch sie hatten noch nicht einmal ansatzweise ergründen können, über welche Fähigkeiten sie gemeinsam verfügten.
    „Gnoti s'auton< – erkenne dich selbst oder..."
    „... oder das, was davon übrig ist. – Schon wieder Uraltterranisch. Mann, bist du gebildet! Dir muss furchtbar langweilig gewesen sein in deinem Maulwurfsbau."
    „Mitnichten, Missy. Sei froh, dass ich in Ruhe forschen konnte. Sonst wären wir jetzt nicht hier reinkarniert, sondern schlicht und einfach mausetot."
    „Also. Was tun wir, Tatterich? Jedenfalls nicht warten und zuschauen, wie uns der Lebenssaft davonrinnt."
    „Welch jugendliches Ungestüm, welch grauenhaft flapsige Ausdrucksweise! Du verfügst über dieselben Informationen wie ich. Hast du eine Idee?"
    „Und ob. Ich fürchte jedoch, sie wird dir nicht schmecken."
    Die alte, als Mann auftretende – und sich auch als männliches Wesen verstehende – Frau verdrehte die wässrigen Augen und seufzte.
    „Lass hören."
    „Kannst du es dir nicht denken? Wir sollten aktiv werden, in das Geschehen draußen eingreifen!
    Unser Reich und damit unsere Existenz ist in Gefahr. Ergo wird uns nichts anderes übrig bleiben, als uns zu verteidigen. Unter Zuhilfenahme aller verfügbares Mittel."
    „Gemach, Missy. So schnell wimmern die Laren nicht. Blindwütiger Aktionismus bringt meist mehr Schaden als Nutzen. Erst denken, dann reden, dann handeln. In dieser Reihenfolge. Wir haben keine Eile."
    Widerstrebend gestand Maykie ein, dass das stimmte. Wenngleich die Lage sukzessive prekärer wurde, bestand kein Grund zur Hektik.
    Dank der vorderhand noch gegebenen hohen Taktfrequenz der Biopositronik lief ihr Selbstgespräch um einen Faktor von etwa fünfunddreißig Millionen schneller ab als die Zeit draußen, in der so genannten realen Welt. Maykie und der Maulwurf hätten ihre schizophrene Diskussion ein ganzes Erdenjahr lang fortsetzen können – in „Wirklichkeit" wäre noch nicht einmal eine Sekunde vergangen. Dennoch hielt es Maykie vor Tatendrang kaum mehr in ihrem virtuellen Sessel. Was dem Maulwurf nicht verborgen blieb.
    „Schatten der Erinnerung: Sind Menschen paradoxerweise nicht gerade in der Kindheit am ungeduldigsten und quengeligsten? Und das, obwohl sie noch ihr ganzes Leben vor sich haben?"
    „Willst du damit andeuten ...? Verdammt, hör endlich auf, mich ständig von oben herab zu behandeln!
    Wegen der paar Jahre ..."
    „He, spiel nicht gleich die Beleidigte. Das gehört nun mal zu meiner Rolle – so wie zu deiner diese nervige, naseweise Impulsivität."
    „Ha!"
    „Selber ha! – Ich gebe bloß zu bedenken, junge Dame, dass wir unsere Entscheidung nicht überstürzen dürfen. Sobald wir mit der Außenwelt zu interagieren beginnen, müssen wir sehr genau wissen, was wir tun."
    „Du meinst, wir sollten die Zeitabläufe annähernd synchronisieren? Damit wir die jenseitige Realität einigermaßen analog erfassen und richtig interpretieren können, nehme ich an. Na schön. Was schlägst du vor? Einen Faktor von hundert oder gar nur sechzig? Eine Minute für eine Sekunde?" Maykie drehte ihren Kopf zur Seite und gestattete sich einen Blick durch eine der von KHASURN überwachten Kameras. Sie sah ein Standbild. Eingefrorene Flammen reckten sich gelborangerot einer blaugrünweißen Wolkenskulptur entgegen, die ihren Ursprung in der Düse eines robotischen, in eine Zwischenwand integrierten Feuerlöschers hatte.
    Sooft Maykie auch blinzelte, nichts rührte sich. Das konnte auch gar nicht sein: Tage, wenn nicht Wochen hätte sie verstreichen lassen müssen, um eine winzige Veränderung, die leiseste Andeutung einer Bewegung zu bemerken. Akustische Wahrnehmungen waren wegen der extremen Verzögerung sowieso gänzlich unmöglich.
    Die Strategie konnte also nur darin bestehen, ihre Denk-Frequenz zu drosseln, sie – und sich – an das lächerlich geringe Tempo der äußeren Ereignisse ungefähr anzugleichen. Was zugleich den Vorteil hatte, dass sie mit einer bedeutend geringeren Rechenleistung auskamen, quasi Lebensenergie sparten.
    „Das ist es doch,
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