2183 - Mit den Augen der Cishaba
Frage, ob die Cishaba künstlich erschaffene Wesen waren. Kinder der Retorte? Klone? Oder waren sie aus einem natürlich entstandenen Volk hervorgegangen, dessen Angehörigen man die ErinneI1lngen genommen hatte? In diesem Fall wäre das ein Grund zur Trauer. Und trotzdem: Wenn es so wäre, wieso gab es keinen Nachwuchs in ihrem Volk? Es existierten keine Cishaba-Kinder. Dieses Thema beschäftigte Yashino Hishmatuun schon lange so intensiv, dass er es einfach hatte loswerden müssen. Er hatte auch schon einen der höher gestellten Priester ins Vertrauen gezogen und ihm die Fragen vorgetragen, die ihm solche Seelenpein bereiteten.
Doch geholfen hatte es ihm nicht. Der Priester hatte sehr weitschweifige Erklärungen gegeben, hatte sich umfassend über ihre Religion ausgelassen und versucht, ihm Unterricht in Dialektik zu geben. Doch als Yashino Hishmatuun ihn direkt auf die eigentlichen Fragen ansprach, war der Hohepriester nur ausgewichen. „Es ist ketzerisch, solche Fragen zu stellen", hatte er gesagt. „Wir haben konsequent nur das zu tun, was wir tun müssen. Ohne Wenn und Aber." Es gab eine dritte Frage, die eine Ergänzung der beiden anderen war, und Yashino Hishmatuun hatte einen letzten Versuch unternommen, vom Hohepriester doch noch eine Antwort zu bekommen. Cishaba, wohin gehörst du?
Er hatte sogar eine Antwort bekommen. „Wir gehören den Hohen Mächten. Wir sind ihre Diener. Sie sagen uns mit dem Dekret der Vollstreckung wann wir unsere Pflicht zu erfüllen haben. So will es Zattokura." Ihr Herr Zattokura war es letztlich auch, von dem Yashino Hishmatuun seinen Glauben und seine innere Kraft bezog. Er musste daran glauben, dass Zattokura die Cishaba auf dem richtigen Kurs lenkte. Dabei fragte er nicht, ob sein Gott ein körperliches Wesen war oder vielleicht den Hohen Mächten angehörte. Zattokura war der Geist, der das KRO'GOM'ATHO durchdrang.
Yashino Hishmatuun konnte seine Kraft spüren, ihn einatmen. So gefestigt war er in seinem Glauben. Dabei war ihm Zattokura noch nie erschienen.
Es gab viele Cishaba, die behaupteten, Zattokura im Geiste begegnet zu sein oder Zwiegespräch mit ihm gehalten zu haben. Diese Gnade war Yashino Hishmatuun nie widerfahren. Aber er glaubte fest an seine Existenz. Darum sah sich Yashino Hishmatuun als frommen Cishaba. Darum war er ein Reiner. Er hatte es inzwischen aufgegeben, von den Priestern Antworten zu erhalten. Es war ein nicht enden wollender Kreislauf, in dem sich alles wiederholte. Ein Dogma war die Wiederholung des vorangegangenen mit anderen Worten. Eine der Weisheiten war es auch, ihm zu erklären: „Es ist nicht wichtig, nach deiner Herkunft zu fragen, Yashino. Wichtig ist nur zu wissen, was du zu tun hast. Wir Cishaba haben den erstrebenswertesten Lebensinhalt, den man sich denken kann. Nämlich, uns für die Hohen Mächte zu opfern." .Yashino Hishmatuun war stolz darauf, ein Cishaba zu sein. Ohne Zweifel! Aber das genügte ihm nicht, es füllte ihn nicht ganz aus. Er hätte nur auch zu gerne gewusst, wer er war.
Yashino Hishmatuun versuchte, sich von seinen drängenden Fragen abzulenken und auf das Zeremoniell der Todesmesse zu konzentrieren. Die Liturgie strebte bereits dem Höhepunkt zu. Das furiose Finale war nahe. Da wurde er unerwartet von etwas anderem abgelenkt. Yashino Hishmatuun konnte auf einmal die Unreinen spüren. Das ging nicht nur ihm so. Alle Cishaba auf dem Großen Platz hatten in diesem Augenblick Kontakt. Er konnte es an der Unruhe erkennen, die sich rings um ihn breit machte. Gomath war wieder einmal in den Fokus gerückt. Und das während der Todesmesse!
Er konnte die Wesen dieses Sonnensystems deutlich spüren. Ihre Ausstrahlung verursachte ihm geradezu Ekel. Sein Abscheu vor dem, was diese Wesen dachten und fühlten, kannte keine Grenzen. Sie waren die Inkarnation all dessen, was ein Cishaba verachtete: fleischlich gewordenes Leben.
Alles, was ist, muss enden! Es war nur ein Vorgriff auf das furiose Finale, wenn Cishaba ihre Fühler ausstreckten und sich in den Körpern dieser Wesen einnisteten, um sie zu beeinflussen. Um sie dazu zu treiben, ihr eigenes Leben und das möglichst vieler anderer zu zerstören.
Yashino Hishmatuun hatte dies bisher noch nie zelebriert. Er war zu sehr mit den ihn quälenden Fragen beschäftigt gewesen. Aber es war vielleicht die richtige Methode, um sich von seinen Gedanken abzulenken. Er hatte schon Berichte seiner Artgenossen vernommen, die davon schwärmten, wie es war, wenn sie diese Wesen
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