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2156 - Stimme des Propheten

Titel: 2156 - Stimme des Propheten
Autoren: Unbekannt
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nicht zu sagen. So viele plötzliche, unerklärliche Tode, vor allem bei Kindern, berührte sie allerdings nunmehr zutiefst. Sie standen den Vorgängen hilflos gegenüber; und vor allem: Nahezu jeder von ihnen fühlte sich auf irgendeine Weise psychisch belastet. Sehr viele erlebten beunruhigende Träume oder immer wiederkehrende Angstzustände.
    Begreiflicherweise stieg dadurch die Furcht, eines Tages genauso plötzlich, zumeist im Schlaf, zu sterben wie die anderen. „Es muss etwas geschehen", sagten viele. Der erste Pilgerzug nach Moond begann in dieser Zeit.
    Siorel Hani Mit gemischten Gefühlen stieg Siorel Hani aus dem Zug. Die Unruhe unter den Mitreisenden hatte sie angesteckt. Jeder von ihnen hatte jemanden verloren, jeder von ihnen litt unter seltsamen Wahrnehmungen. Erstaunlich war, dass es nur wenige Unterschiede bei den Träumen gab: den Kreis aus Licht, in dem das Böse wohnte, die Funken aus Licht, die das Leben aufsaugten, eine Stadt aus blauen und silbernen Türmen, so groß wie die Welt, auf Knochen errichtet... Alle waren zu demselben Ergebnis gekommen, was diese Träume nur bedeuten konnten: Der Pilzdom von Moond würde in naher Zukunft zum Ausgangspunkt einer furchtbaren, die Welt vernichtenden Katastrophe. Trotz aller Abschirmung und Überwachung. Es würde nichts helfen. Die Herreach waren dem Untergang geweiht.
    Auch Siorel Hani hatte diese Träume. Sie kam daher nicht allein wegen ihres Bruders nach Moond, der sie aufgefordert hatte zu kommen. Ein unwiderstehlicher Drang trieb sie in die Nähe des Pilzdoms, Kummerogs ehemaligen Tempels. Sie wusste, dass sie etwas gegen diesen Einfluss unternehmen musste. Es musste etwas geschehen. Getrieben von der Angst und dem Zwang, aktiv zu werden, konnte Siorel Hani die Ankunft kaum mehr erwarten. Ihr ging es dabei wie allen anderen Reisenden auch. Viorel Zagi hatte versprochen, sie abzuholen, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. Typisch mein Bruder, dachte Siorel Hani. Unser zerstreuter Philosoph.
    Der ältere Bruder gehörte einst dem Cleros an, hatte aber schon vor Jahren die violette Kutte des Mahners abgelegt, um sich seinen Studien, über die Herkunft, Gegenwart und Zukunft der Herreach zu widmen. Nebenbei wirkte er als Dozent für Philosophie und Religion an der höheren herrachischen Akademie in Moond. Siorel Hani überlegte kurz, ihn anzurufen. Andererseits kannte sie den Weg zu seinem Haus; ein paar Minuten zu Fuß und drei Stationen mit der Moond-Bahn. Er wird sich schon daran erinnern, dass ich komme, dachte sie. Und sollte das dennoch nicht der Fall sein - Herbergen gab es in Moond genug. Vorerst blieb sie am aktuellen Standort.
    Während Siorel Hani auf die Moond-Bahn wartete, wurde sie Zeugin eines weiteren beunruhigenden Zwischenfalls. Eine Herreach, die gerade die Straße überquerte, blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und starrte auf etwas vor sich. Siorel Hani folgte unwillkürlich ihrem Blick, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Herreach schien sehr wohl etwas zu sehen, denn ihr Nas-Organ plusterte sich fast bis zum Platzen auf, und sie riss sich die Sonnenbrille herunter. Sie deutete vor sich auf den Boden. „Seht ihr es nicht?", schrie sie auf einmal. „Was meinst du?" Ein anderer Herreach war stehen geblieben. „Da ist doch nichts!"
    „Ihr seid blind!", schrie die Herreach auf, und dann schien sie durchzudrehen. „Das Licht hat euch geblendet! Ihr seid dem Untergang nah! Wir alle sind verloren! Der Tempel wird uns aufsaugen, er ist der Hort des Bösen, wir können ihm nicht entkommen!" Schreiend lief sie über die Straße. An einem Haus krallte sie die Finger in eine Kristallfassung. „Nur die Kristalle können uns schützen! Sie schirmen das Licht ab, sie umgeben uns mit einer Aura ..."
    Ihre zitternden Finger schafften es tatsächlich, den kleinen Kristall zu lockern, der offensichtlich nicht allzu fest in der Fassung verankert war. Sie riss den vielfarbig schimmernden Edelstein an sich und hielt ihn vor ihr Gesicht. „Ich kann sie sehen!", kreischte sie. Als sie jemand aufhalten wollte, riss sich die Frau los und taumelte auf die Straße zurück. „Sie sind überall' ... Wir stürzen hinein, auf ewig verloren ... Das Böse sendet sie, die schwarzen Löcher, und je näher wir dem Tempel sind, desto mehr werden es ... Er zieht sie an ... So glaubt mir doch!" Sie floh vor anderen Herreach, die sich ihr mit beruhigenden Worten näherten, rannte im Zickzack über die Straße, wobei sie verzweifelt den
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