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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Autoren: Karl May
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bekleidete die Stelle eines nicht gewöhnlichen Sill, deshalb nahm ich eine würdevolle Haltung und den Ton eines Vorgesetzten an. Wie neugierig ich war und mein kleiner Hadschi erst, das läßt sich wohl leicht denken! Um nicht lange in Ungewißheit zu bleiben, hing ich meiner Antwort die Frage an:
    „Der Säfir hat dich also nach Bagdad geschickt, um mich dort aufzusuchen?“
    „Ja, o Herr.“
    „Er hat dir eine Botschaft an mich aufgetragen?“
    „Ja, o Herr.“
    Dieses ‚Ja, o Herr‘ konnte mir leicht gefährlich werden, wenn ich immer nur der Fragende sein und von ihm stets nur so kurze Antworten bekommen sollte. Darum fuhr ich in dringenderem Tone fort:
    „Welche Botschaft ist es? Sprich! Ich liebe es nicht, überflüssige Fragen zu tun.“
    „Verzeih, o Herr! Der Säfir ist sehr streng mit uns. Wir dürfen nur antworten, wenn wir gefragt werden, und müssen dann so kurz wie möglich sein. Ich habe dir zu sagen, daß du nicht in Bagdad bleiben, sondern sofort kommen sollst.“
    „Warum?“
    „Die ‚Leichen‘ müssen bald eintreffen; sie werden nicht auf dem Karawanenwege gebracht, sondern sind der größeren Sicherheit wegen auf dem Nahr Sersar nach dem Euphrat geschafft worden, wo sie auf Kelleks abwärts kommen.“
    „Wohin?“
    Er warf mir einen Blick halben Erstaunens zu und antwortete:
    „Das mußt du doch besser wissen als ich, o Herr!“
    Da hatte ich mich also beinahe verdächtig gemacht! Ich lenkte also schnell ein:
    „Natürlich kenne ich die gewöhnliche Stelle; ich dachte aber, der Säfir habe für diesmal, weil du von einer größeren Sicherheit sprachst, eine andere bestimmt.“
    „Die bisherige Stelle ist die beste, die es gibt; es ist also kein Grund vorhanden, eine andere zu wählen.“
    Ich fragte mich im stillen, um welchen Transport es sich eigentlich handle. Um ‚Leichen‘! Er hatte diesem Worte eine eigentümliche Betonung gegeben. Eigentliche, wirkliche Leichen waren wohl nicht gemeint, was aber sonst? Bedienten sich die Sillan etwa einer Geheimsprache, etwa in der Weise, wie unsere Verbrecher untereinander in der Kochemer Loschen (Diebes- oder Gaunersprache) sprechen? Ich wollte das gern wissen und fragte darum, obgleich ich dabei riskierte, nun einen wirklichen Fehler zu begehen:
    „Weißt du, was es diesesmal für ‚Leichen‘ sind?“
    Ich betonte dabei das Wort ‚Leichen‘ genau so wie vorhin er. Er faßte keinen Verdacht und antwortete in gutem Vertrauen:
    „Wenn du es nicht weißt, so weiß es der Säfir jedenfalls auch noch nicht. Der Absender wird Gründe gehabt haben, es geheim zu halten. Aber diese ‚Leichen‘ sind nur das eine, wovon ich dir sagen soll; es gibt noch etwas anderes, was viel wichtiger zu sein scheint.“
    „Was?“
    „Die Karwan.“
    „Welche?“
    „Das mußt du doch am besten wissen!“
    Es schien, als ob er wieder Argwohn fassen wolle; darum nahm ich einen strengeren Ton an und sagte:
    „Drücke dich höflicher aus, sonst zeige ich dir, wie du mit mir zu sprechen hast! Wohl weiß ich es am besten; aber du redest von einer Karawane im allgemeinen, und da wir es oft mit Karawanen zu tun haben, so kannst du in diesem Fall eine ganz gewöhnliche meinen und nicht die, auf welche wir es besonders abgesehen haben. Wenn du etwa nicht klug genug bist, dies einzusehen, und auch ferner nicht deutlicher reden kannst, werde ich für ähnliche Fälle vom Säfir andere Boten verlangen, die weniger dumm und höflicher sind als du!“
    Da hauchte er vor Schreck förmlich zusammen und sagte in flehendem Tone:
    „Tue das nicht, o Herr, nur das nicht! Du weißt ja, was es mich kosten würde! Verzeihe mir, verzeihe mir! Ich habe natürlich keine andere als die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi (Karawane des obersten Kammerherrn) gemeint, von deren Aufbruch du den Säfir unterrichtet hast.“
    „Khudaya schukr – Gott sei Dank! Jetzt wirst du deutlicher! Ich rate dir, es stets zu sein, denn ein Bote, der in Rätseln spricht und den Mund nicht öffnen kann, ist nicht zu brauchen. Ja, ich habe ihn von ihr benachrichtigt. Was läßt er mir nun sagen?“
    „Er hat Späher nach ihr ausgesandt, die ihn benachrichtigt haben, daß sie heut oder morgen in Bagdad eintreffen wird. Du könntest ihr zufällig begegnen und dabei erkannt werden. Darum mußt du schnell von Bagdad fort und zu ihm kommen. Dies war es, was ich dir noch zu sagen hatte.“
    „Was noch?“
    „Weiter nichts.“
    „Da du mich glücklicherweise schon hier getroffen hast, brauchst du nun
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