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209 - Die fliegende Stadt

209 - Die fliegende Stadt

Titel: 209 - Die fliegende Stadt
Autoren: Susan Schwartz und Jana Paradigi
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gehorchten. Auch seine Finger reagierten trotz engen Spielraums. Das Gefühl kam zurück und jagte ihm Schauer durch den Körper, als würden Tausende Ameisen über ihn krabbeln.
    Es war zum Glück nur eine vorübergehende Lähmung gewesen. Ein Trick, um die Beute am Leben und damit länger frisch zu halten.
    Zwei Karawanenträger weiter entdeckte er zwischen schaukelnden Gazellenleibern Rulfans weiße Mähne.
    Wenigstens waren sie noch zusammen und beide am Leben.
    Aber wo war Chira? Matt erinnerte sich daran, dass die Lupa verwundet gewesen war. Hatten die Jäger sie ebenfalls betäubt und mitgenommen? Oder war sie auf dem Kampfplatz zurückgeblieben? Matt wusste, wie viel seinem Freund aus Salisbury die mutierte Wölfin bedeutete.
    Aber natürlich war es wichtiger, sich erst einmal selbst aus dieser entwürdigenden Lage zu befreien. So unauffällig wie möglich versuchte Matt Arme, Beine und Rücken mit kleinen Anspann- und Entspannungsübungen aus ihrem betäubten Zustand zu erwecken.
    Derweil veränderte sich langsam aber stetig die Landschaft.
    Ein Pfad wurde auf dem sandigen Steppenboden sichtbar, dann sprossen Mohnfelder rechts und links des Weges, wechselten sich mit Chrysanthemen ab und eröffneten am Ende den Blick auf eine weitläufige… Ranch?
    Matthew traute seinen Augen nicht.
    Gatter, Koppeln, Ställe und Wohnhäuser waren in makellosem Weiß gestrichen – so sauber und akkurat gepflegt, dass es mitten im Afrika des sechsundzwanzigsten Jahrhunderts als geradezu außerirdisch erschien.
    »Hey, ihr halben Helden! Wo bringt ihr uns hin?«, hörte Matt seinen Blutsbruder rufen.
    »Schön, dass es dich noch gibt!«, rief Matt nach vorne.
    »Und das soll auch so bleiben! Ich habe nicht vor, als saftiger Braten am Spieß zu enden.« Die Worte des Albinos klangen im Tonfall wenig überzeugend. »Hast du Chira gesehen?«
    Matt verneinte.
    Je näher sie der Ranch kamen, umso mehr Skurrilitäten wurden sichtbar. Auf den eingezäunten Weiden grasten neben den bereits bekannten Mördergazellen zahlreiche andere Tiere: die postapokalyptischen Entsprechungen von Kamelen, Zebras, Giraffen, Rindern, Warzenschweinen und Perlhühnern mit Kopfhorn. Eines hatten sie alle gemeinsam: Sie waren weiß.
    Schneeweiß zumeist, höchstens mit kleinen Flecken durchsetzt.
    Einige Zebras besaßen einen gestreiften Hals.
    »Die bringen uns in einen verdammten Zoo!«, rief Rulfan.
    Matt schwante bereits, warum die Miniaturjäger sich so eingehend für Rulfan interessiert hatten. Wahrscheinlich waren sie bei der Jagd nach den Gazellen nur zufällig auf ihr Nachtlager gestoßen, und hätten sie den weißhaarigen Mann mit den roten Augen nicht entdeckt, hätten sie ihre Beute vielleicht einfach eingepackt und wären ihrer Wege gegangen.
    Aber ein Trupp, der darauf aus war, Albinos zu fangen, musste bei Rulfans Anblick geradezu in Entzückung geraten.
    Als sie unter dem Eingangsbogen hindurch getragen wurden, sah Matt für einen Augenblick die aus weißen Latten gezimmerten Worte über dem Tor: »Safari Park«.
    War es möglich, dass sich eine solche Einrichtung über so lange Zeit gehalten hatte? Aber woher sollten die Besucher kommen? Handelte es sich vielleicht um einen Vergnügungspark für die Wolkenstadt-Bewohner?
    Matt schöpfte Hoffnung. Denn jemand, der ein großes Gelände so sorgfältig bewirtschaftete, konnte kein unzivilisierter Buschmann sein. Mit ihm würde man sich verständigen können. Hoffentlich.
    Vor einem Gebäude, das wie die Miniaturausgabe einer weiß getünchten Fabrikhalle aussah, spaltete sich der Jägertrupp auf. Die Gazellenträger steuerten auf eine Schiebetür in der Mitte des Gebäudes zu. Die anderen, die Rulfan und Matt an ihren Tragestangen transportierten, wandten sich nach rechts und marschierten auf den Eingang der gegenüberliegenden Halle zu.
    Dabei kamen sie an weiteren umzäunten Gehegen vorbei, kleiner diesmal und mit mehr Aufwand befestigt. Die Tiere darin entpuppten sich nach einem Blick durch die Lattenzwischenräume als Nashörner, Nilpferde und Elefanten.
    Und wieder waren sie – bis auf ein paar Schönheitsfehler – allesamt weiß.
    Matt, dessen Träger zu Rulfan aufgeschlossen hatten, schaute zu seinem Freund hinüber. Es stand Trotz in Rulfans Gesicht geschrieben, aber keine Furcht.
    Als die Träger über die Eingangsschwelle marschierten, erkannte Matt, dass es sich auch hier um einen Stall handelte.
    Dem scharfen Geruch nach zu urteilen, war dies die Sammelstätte für Raubkatzen.
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