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208 - Nach der Eiszeit

208 - Nach der Eiszeit

Titel: 208 - Nach der Eiszeit
Autoren: Christian Schwarz
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in das kühle Nass.
    Elloa ging hoch aufgerichteten Hauptes auf Koroh zu.
    Die mit bunten Bändern durchwirkten Zöpfchen flatterten im warmen Januarwind. Wie immer, wenn sie ein Tsebra ausbildete oder trainierte, trug sie einen knapp sitzenden Ledertanga und ein ebensolches Oberteil. Die milchbraune Haut glänzte vor Schweiß.
    »Hallo, Onkelchen«, begrüßte sie ihn. »Was suchst du hier draußen? Ich kann mich nicht erinnern, dass du mir einmal, beim Training zugeschaut hast.«
    »Dann ist eben heute das erste Mal.« Das gutmütige Gesicht unter der umlaufenden Federkrone lächelte.
    Koroh hob sein Zepter, an dessen Ende ein Totenschädel prangte. Auch auf die Singenden Scheiben, die er als Ohrgehänge trug, hatte er nicht verzichtet. Sie waren äußerst flach und besaßen jeweils ein Loch in ihrer Mitte.
    Auf einer Scheibe befand sich neben unlesbaren Zeichen die Abbildungen weißer Männer: zwei dicke Bartträger mit seltsamen Hüten und einen Mann mit zerfurchtem Gesicht und wenigen Haaren.
    Elloa lehnte sich auf die Holzstangen der Umzäunung.
    »Du willst doch was von mir, Onkelchen, nun gib’s schon zu. Sonst wärst du niemals hier raus gekommen. Aber du musst ganz schön bitten und betteln. Ich bin immer noch ziemlich sauer auf dich.«
    Koroh schaute erstaunt drein. »Warum denn das?«
    »Warum, warum. Kannst du dir das nicht vorstellen, Onkelchen? Dieser riesige Wawaa hat mich gefangen genommen, mich gedemütigt und auch noch meinem Tsebra so fest auf den Kopf geschlagen, dass ich es wohl nie wieder gebrauchen kann. Und du hast nichts Besseres zu tun, als diesem Gesindel Gastrecht zu gewähren und es damit unangreifbar zu machen. Banyaar hätte die Wawaas sonst allesamt zu Sklaven gemacht und ich hätte mich an diesem Dreckskerl rächen können. Das geht jetzt nicht mehr. Meine Ehre ist in den Schmutz getreten.«
    Elloa hatte sich immer mehr in Rage geredet. Zum Schluss war sie so laut, dass Koroh einen Moment lang schmerzhaft das Gesicht verzog. Sinnend starrte er vor sich hin. Dann sah er seiner Nichte direkt ins Gesicht.
    »Du solltest bedenken, Elloa, dass dieser Riese, der übrigens Mombassa heißt, ganz Kiegal praktisch im Alleingang gerettet hat. Hätte er nicht mit seinen Bärenkräften die Schleusen zu den Sicherheitsgräben geöffnet, läge jetzt die ganze Stadt unter den Strömen Papa Lavas begraben. Ich denke, das wiegt schwerer als deine verletzte Eitelkeit.«
    »Pah! Nur der Tod kann wieder gutmachen, was er mir angetan hat! Im Übrigen wären wir sicher auch ohne seine Hilfe davongekommen. Bisher haben wir Huutsis noch jede Katastrophe gemeistert. Oder etwa nicht?«
    Tatsächlich hatte der Karisimbi-Vulkan, an dessen Hängen die Huutsi seit vielen hundert Jahren lebten und den sie Papa Lava nannten, schon vor einigen Tagen wieder aufgehört, flüssigen Stein zu spucken.
    Koroh schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm eine der Singenden Scheiben mit ihrer scharfen Außenkante die Unterlippe aufschlug. Mit einem fein gewebten Tuch wischte er sich das Blut ab. »Du weißt genau, dass du Unsinn redest, Elloa. Die Mengen, die diesmal aus dem Kleinen Schlund quollen, hätten Kiegal vernichtet. Mombassa kam im letzten Moment.«
    Die Huutsi wollte aufbrausen, doch eine herrische Bewegung mit dem Zepter ließ sie inne halten. »Versteh mich nicht falsch, Elloa. Ich bin auf deiner Seite. Aber du solltest bedenken, dass die Wawaas dich auch hätten verschleppen, versklaven oder sogar töten können. Das haben sie nicht getan und sollten deswegen nicht Ziel deiner Rache sein.«
    Elloa spie aus und zerrieb den Auswurf mit der Fußsohle. Sie erwiderte nichts, schaute stattdessen bockig zu den Maisfeldern hinüber, die sich bis zum beginnenden Dschungel hinzogen, und kaute auf ihrer Unterlippe herum.
    »Warum sollen die Wawaas für etwas büßen, was einzig und allein Banyaar zu verantworten hat?«, fuhr der Schamane fort. »Und da sind wir bereits beim Thema, dessentwillen ich dich aufgesucht habe. Ich will mit dir über den Prinzen reden.«
    »Über meinen zukünftigen Gatten? Warum denn das?« Unwillkürlich verengte Elloa die Augen, wie sie es immer tat, wenn sie spürte, dass irgendwelche Unbill nahte.
    Koroh atmete tief durch. »Du weißt, dass sich unser kommender König seit vielen Sonnenumläufen schwerer Versäumnisse schuldig macht. Er zieht unverantwortlich viel Personal von den Schleusenanlagen und aus den Produktionsstätten ab, um seine Otowajii (Schnellstraße/Autobahn) schneller ausbauen
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