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206 - Unterirdisch

206 - Unterirdisch

Titel: 206 - Unterirdisch
Autoren: Mia Zorn und Jo Zybell
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bei Regen eingrub. Seit mehr als zwei Wintern lebten vier von ihnen unten am Fluss.
    Jetzt hob der Woorm seinen Schädel. Er öffnete das Maul, und messerscharfe Beißzangen glänzten in der untergehenden Sonne. Ein kreischendes Trompeten drang aus seiner Kehle.
    Der Maelwoorm selbst hörte weder seinen Schrei, noch die Rufe der Menschen, denn wie alle Exemplare seiner Art war er taub. Andere Sinnesorgane erfüllten die Aufgabe der Wahrnehmung; dank ihnen konnte der Maelwoorm ausmachen, in welche Richtung sich ein Objekt bewegte und ob es in Angriffsposition war.
    Aus seiner lederartigen Haut sprossen Tausende feiner Härchen, die geringste Erschütterungen des Erdreiches aufnahmen. Und natürlich spürte der Woorm auch, wenn andere Lebewesen ihn berührten. So wie jetzt gerade der Zweibeiner auf seinem Rücken: Mit seinen Füßen trommelte er einen bestimmten Rhythmus. Er wollte, dass der Woorm sich nach links bewegte. Dabei zog er am Lederriemen, der links und rechts in den Winkeln des Mauls mit Haken verankert war.
    Der Maelwoorm tat ihm diesen Gefallen. Er ahnte, dass es an den kühlen Strand gehen sollte. Dort warteten feuchte Erde und schmackhafte Krabbeltiere auf ihn.
    Spenza war überrascht, als sich der Woorm ohne zu bocken nach links bewegte. Mit seinen paddelförmigen Flossen schob das Tier seinen mächtigen Leib über Geröll und Staub.
    Zielstrebig schlug es den Weg zu den Sandbänken des Athi ein, als wüsste es genau, wohin es ging.
    Der Woormführer lockerte die Zügel und entspannte sich im Stehsattel auf dem Rücken des Tieres. Er war müde und seine Glieder fühlten sich bleischwer an. Seit dem frühen Vormittag saß er auf dem Woorm. Unzählige Menschen hatten sie schon aus den Trümmern befreit.
    Der Maelwoorm zermalmte Mauer und Stein mit seinen kräftigen Kauwerkzeugen, als wären sie trockenes Brot. Aber es war höllisch anstrengend, das Tier so zu führen, dass sich unter der Kraft seines gewaltigen Leibes keine schweren Trümmerteile lösten und die eingeklemmten Menschen darunter erschlugen. Spenza tätschelte die wulstige Haut des Tieres. »Das hast du gut gemacht«, brummte er. »Und ich auch.«
    Er dachte an den Tag, als er die Maelwoorms das erste Mal gesehen hatte. Vor vier Wintern hatte ein Beben die Erde erschüttert. Es war schwächer als das heutige gewesen und hatte weiter im Westen gewütet. Dort zerstörte es die Gleise des Traijn, auf dem die Enkaari die Fische vom Fluss in die nächst größere Stadt Nakuru transportierten. Barah und ihre Jägerinnen liefen die Strecke ab, um das Ausmaß des Schadens festzustellen. Dabei entdeckten sie Schleifspuren in der Erde, als hätte jemand gefällte Baumstämme über den Boden gezogen. Sie folgten den Spuren und stießen schließlich auf die Woorms.
    Mindestens zwanzig Tiere fanden sie damals. Ihre Körper waren drei bis vier Mal so lang wie ein ausgewachsener Mann und hatten den Umfang eines Baumstamms. Die großen Tiere waren vom Riftvallej herauf gekommen und suchten einen Weg durch den Dschungel. Arah, die Priesterin, behauptete, dass Athikaya ihr in einer Vision die Tiere angekündigt hätte.
    Sie durften nicht getötet werden! Aber bevor sie für immer im Dschungel verschwanden, sollten einige Exemplare eingefangen werden.
    Spenza war damals dabei, als die Enkaari Jagd auf sie machten. Mit einem Gift, das eine ähnliche Wirkung hatte wie die gegorenen Früchte eines Marulabaumes auf einen Efranten, wollten sie die Woorms gefügig machen. Aber die Tiere reagierten zunächst äußerst aggressiv. Als die Enkaari sich ihnen mit Netzen, Speeren und Pfeil und Bogen näherten, rissen sie ihre Mäuler auf, fauchten, schnaubten, brüllten und trompeteten. Ihre Beißzangen schnappten nach allem, was sich bewegte.
    Eines der Tiere verbiss sich in den Stamm einer kräftigen Akazie. Es rüttelte solange an dem Baum, bis dieser zur Erde stürzte. Die Enkaari kamen gar nicht dazu, ihre Pfeile abzuschießen, so sehr beschäftigen sie die Tiere mit ihrem Lärm und ihren wilden Bewegungen.
    Die Mehrzahl der Woorms zog sich tiefer in das Dickicht zurück. Sie flohen in das Gebiet, das die Enkaari das Todesbett nannten: ein Feld aus pilzartigen Wucherungen. Niemand wagte sich mehr dorthin. Der Boden war wie ein Schlund, der Menschen und Tiere verschlang.
    Nur vier der jüngeren Tiere konnten die Jägerinnen einkreisen. Es dauerte ewig, bis die ersten Pfeile die lederne Haut der Woorms durchdrangen, und noch länger, bis das Gift endlich Wirkung
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