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2034 - Runricks Welten

Titel: 2034 - Runricks Welten
Autoren: Unbekannt
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sagte ein anderer im Knien und knetete dabei sanft meine Hände „He, Runrick, ich bin Hiawatta, aber alle nennen mich Hia. Willst du mein Kleines sein, Runi?" sagte jemand, der mein Gesicht streichelte und dessen Finger sich durch meinen Haarflaum zum Hinterkopf tasteten. Die Finger zuckten aber sofort wieder zurück, und Hiawatta rief erschrocken: „Er hat ja Gesichtsnarben am Hinterkopf!"
    „Runrick ist ein wenig anders", erläuterte Cael-Ogor. „Er ist was Besonderes unter den Besonderen."
    Die Scheu der Seherschüler legte sich danach wieder, und sie kamen erneut näher, um mich auf ihre eigene Weise zu betrachten. „Ich bin Alegotto", sagte eine Stimme, die nichts Kindliches an sich hatte, „und so etwas wie der Großvater in diesem Kindergarten. Mein Wort ist Befehl." Große, aber sehr feinfühlige Hände schlossen sich um mein Gesicht. Gleichzeitig spürte ich, wie sich ein feinmaschiges Netz auf meinen Geist legte und in ihn eindrang. Die Finger tasteten sich zu meinem Hinterkopf, befühlten ihn ausgiebig, bevor sie wieder zu meinem Gesicht wanderten. Ich hatte den Eindruck, dass sie jede meiner Hautporen erforschten. Als die Finger meine Augen erreichten, hielten sie an. Ungläubig, wie es schien. Dann tasteten sie sich wiederum über meine Lider, wanderten ab und kehrten zurück. Das wiederholte sich ein paar Mal, bevor Alegotto über seine Schulter nach oben sagte: „Runrick ist doch keiner von uns. Er hat Augen!"
    Ich verstand damals die Bedeutung dieser Worte nicht recht, aber sie machten mir angst. „Stimmt, Runrick wurde mit Augen geboren", sagte Cael-Ogor von irgendwoher. „Aber diese Augen können nicht sehen. Und er trägt K'UHGAR in sich wie ihr."
    „Das muss sich noch weisen", sagte Alegotto. Er wandte sich wieder mir zu, ergriff meine Hände, die in den seinen verloren wirkten, und führte sie an sein Gesicht. Ich spürte das Knochenoval der Augenhöhlen, zwischen denen sich leicht hornige Haut über nachgiebigem Fleisch spannte. Dabei sagte er zu mir: „Merkst du es, Runrick, dass bei mir nichts ist, wo bei normalen Mundänen die Sinnesorgane der Augen ihren Sitz haben? Das unterscheidet uns voneinander. Und wird es wohl immer tun." Mit diesen Worten erhob er sich und ging fort.
    Damit war die Schnupperstunde zu Ende. Cael-Ogor hob mich wieder hoch und setzte mich in meine Schwebesänfte. Ich schluchzte trocken und bedeckte mit meinen Händchen die Augen. Ich war voller Scham wegen dieses Makels.
    Ich war nicht wirklich ein Seher. Ich war eine Missgeburt. Cael-Ogor aber sagte, während er mit mir in meine Klause zurückkehrte: „Du wirst es ihnen allen zeigen, Runrick! Du wirst ihnen trotz deiner Augen beweisen, dass du ein viel besserer Seher bist als sie alle. Denn du bist einmalig unter den Besonderen. K'UHGAR ist verstärkt in dir. Anders kann es gar nicht sein." Und er sollte in gewisser Weise recht behalten.
    Die Ausbildung zu Sehern wurde in kleinen Gruppen von etwa Gleichaltrigen vorgenommen. Ich wurde mit vier Jungen und einem Mädchen zu einer Gruppe formiert. Die Jungen hießen Satomeggo, Ornadyr, Vupolendo und Afforo. Das Mädchen hieß Cysitana, und sie war nicht nur deshalb das Nesthäkchen weil sie die Jüngste von uns allen war, sondern weil Seherinnen Seltenheitswert besaßen. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt außer ihr nur die Seherin Hiawatta kennengelernt. Die beiden waren die einzigen Seherinnen im ganzen Zug. Cael-Ogor hatte die Verantwortung über diesen Zug von rund hundert Seherschülern; unter ihnen auch Alegotto. Dieser gehörte einer Gruppe von Älteren an. Ich war froh, mit ihm nicht unmittelbar zu tun zu haben, denn er machte mir angst - schon seit jener Schnupperstunde, bei der er mir seine Ablehnung gezeigt hatte.
    Mit den Altersgenossen meiner Gruppe verstand ich mich zu Anfang ausgezeichnet. Doch je älter wir wurden, desto deutlicher kristallisierten sich die Unterschiede zwischen uns heraus. Das lag zum Teil wohl auch daran, dass ich bessere Fortschritte machte als die anderen, die „waschechte" Seher waren, wogegen es sich bei mir nur um eine Laune der Natur handelte. Ich wurde deswegen nicht diskriminiert. Dennoch spürte ich, dass ich unter den Augenlosen mit meinen toten Sehwerkzeugen als Außenseiter galt.
    Aber insgesamt genoss ich die Achtung aller Seherschüler.
    Unsere Ausbildung nahm sich zu Anfang sehr bescheiden aus. Sie oblag in der Hauptsache den Robotern. Die Mismatiker dagegen beschränkten sich darauf, uns zu testen und den
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