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2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum

2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum

Titel: 2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum
Autoren: Bastei
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sich ins Gesicht schmiert«, sagte McDevonshire. Dann wollte er wissen: »Wie kommt ihr darauf, dass er sich nach Frankreich abgesetzt hat?«
    »Seine Kreditkarte wurde im Hafen von Bilbao benutzt«, antwortete Guignard.
    »Und?«
    »Einer unserer dortigen V-Männer hat jemanden gesehen, auf den die Beschreibung von Ericson zutrifft. Er hat sich in einer Kneipe nach einer Möglichkeit erkundigt, nach Südamerika zu gelangen. Angeblich ging er an Bord eines Frachters namens Sanjita – auf dem es aber vor der Küste der Île de Ré zu einem Zwischenfall kam.«
    »Was für ein Zwischenfall?«, warf McDevonshire eine Frage ein.
    Guignard hob die Schultern. »Offenbar ein Piratenüberfall. Die Befragung der überlebenden Crew dauert noch an.«
    »Es gab also auch dort Tote?«
    »Ja. Leichen pflastern seinen Weg«, sagte Guignard. »Ericson und seine beiden Begleiter …«
    »Begleiter?«
    »Eine junge Spanierin und ihr Bruder, die er in Madrid aufgegabelt hat.«
    »Was haben die mit der Sache zu tun?«
    »Wissen wir noch nicht.«
    »Und wo sind die drei also abgeblieben?«
    »Wie gesagt, wir vermuten, dass sie sich aufs französische Festland abgesetzt haben. Vom Schiff sind sie vermutlich mit einem Hubschrauber geflohen. Damit kamen sie allerdings noch nicht mal bis auf die Insel. Das Wrack des Helikopters wurde inzwischen geborgen. Keine Leichen an Bord, keine Spuren.«
    McDevonshire nickte überlegend. »Das heißt also, die Fährte von Thomas Ericson verliert sich in dem Moment, als er die Île de Ré betrat.« Er wusste, wo die Insel vor der französischen Atlantikküste lag.
    »Momentan, ja.«
    »Dann werde ich dort ansetzen.«
    »Du willst den Fall also haben?«
    »Natürlich. Alles ist besser, als nach London unter Jorgensens Fuchtel zurückzukehren und Akten zu entstauben, nur damit sie frischen Staub ansetzen können.«
    »Schön. Ich wünsche dir viel Glück, Spencer.« Guignard schlug ihm auf die Schulter.
    »Ach, weißt du, Audric«, sagte McDevonshire und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, »das Glück war in all den Jahren mein unzuverlässigster Helfer. Ich vertraue lieber auf mich selbst.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Wie gesagt, ich werde mich erst einmal auf dieser Insel umsehen.«
    »Aber das brauchst du doch nicht selbst zu tun«, meinte Guignard verwundert. »Dafür gibt’s doch Hiwis.«
    McDevonshire schüttelte den Kopf. »Ich mache mir lieber mit eigenen Augen ein Bild von den Dingen. Und ich behalte die Zügel gern in der Hand. Dann weiß ich wenigstens, wo die Fahrt hingeht.« Er wies auf Guignards Schreibtisch. »Würdest du bitte nachsehen, wer auf der Insel mein Ansprechpartner ist?«
    Guignard nahm in seinem Schreibtischsessel Platz und ließ die Finger über die Computertastatur wandern. Er stellte fest, dass es in Saint-Martin-de-Ré eine Gendarmerie gab. Ein einziger Flic hielt dort die Stellung.
    McDevonshire notierte sich den Namen, den Guignard ihm nannte, und murmelte ihn dabei noch einmal halblaut vor sich hin: »Louis Cruchot …«

    Yucatán
    Die Berührung war ihr nicht vertraut, aber bekannt – so hatte sie vorhin schon einmal etwas berührt.
    Vorhin? Wann war das gewesen? Abby hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl von Zeitlosigkeit. Als finge Zeit gerade erst wieder an, eine Rolle für sie zu spielen.
    Jetzt sah sie einen Fisch, albinohaft weiß in der Dunkelheit. Und sie sah ihn auch nur für eine Sekunde, denn er schwamm davon und war im Nu verschwunden. Einen Moment lang glaubte Abby noch ein Leuchten zu sehen, das er wie einen Kondensstreifen hinterlassen hatte.
    Wo war sie?
    Im Wasser, eine Handbreit tief. Unter ihr Sand und Stein. Über ihr Wände aus Fels, mit Sträuchern bewachsen, an ihrem Fuß schwarze Streifen, die Mündungen halb offener Grotten, mit knochenfarbenen Tropfsteinen wie von spitzen Zähnen starrend.
    Und dann kehrte die Erinnerung zurück.
    Sie musste sich in einem Cenote befinden, am Grund eines jener Kalksteinkrater, die mit Wasser aus unterirdischen Flüssen gefüllt waren und die es nur auf Yucatán gab, hier jedoch zu Aberhunderten.
    Der Fluss musste sie in diesen Cenote gespült haben. Nachdem ihr, noch in seiner Strömung gefangen, die Sinne geschwunden waren.
    Ein eigenartiges Gefühl ergriff sie: Erleichterung, Lebensfreude und eine tiefe, warme Dankbarkeit in einem.
    Ihr Blick wanderte an der Wand des Kalktrichters empor, himmelwärts zu den Sternen, in deren silbrigem Licht sie im Wasser und auf ihrem Rucksack lag. Sie erkannte den
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