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1993 - Vorstoß in den Kessel

Titel: 1993 - Vorstoß in den Kessel
Autoren: Unbekannt
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gellendes homerisches Lachen an.
    Warum, meinst du wohl, habe ich ausgerechnet dich als „Opfer" meiner Scherze ausgewählt? Nur der, der Charakter hat, wahre Größe, erträgt es, vor anderen als Narr zu erscheinen. Jetzt beweist du erneut, dass du den Zellaktivator zu Recht trägst! „Was ist mit den toten Besatzungsmitgliedern, du Ungeheuer? Warum hast du das nicht verhindert?" frage ich wütend, ohne auf die Aussagen einzugehen. Sie wurden von uns aufgenommen, mehr konnten wir nicht tun; sie kommen nicht zurück. Dein oxtornischer Freund allerdings hat komplett überlebt. Die Nebenwirkungen des Carits sind nicht unsere Schuld, alter Freund. Nur noch ein winziger Schritt - dann enden deine Qualen!
    Gemeinsam überschreiten wir die Barriere. Das hyperphysikalische Zentrum des Kessels ist greifbar nah. Genau wie Thoregon ... Es muss gelingen!
    Ich blinzle in der Hitze: Sonnenverbrannter und frostgesprengter Stein leuchtet plötzlich grell, Kalksteingipfel verschmelzen mit bleichem Himmel.
    Als ich die letzten Meter des Geröllpfades erklimme, gesäumt von Strauchwerk und Ginsterhecken, sehne ich mich mit jeder Faser nach einem kühlen Bad. Schatten liegen kantig unter spärlichen Piniengrüppchen und erfüllen zerklüftete Felsen. Müde erreiche ich Steineichen und wanke an ihnen vorüber. Fahles Bruchsteinmauerwerk schwingt zum Torbogen empor, die Gebäude im künstlich bewässerten Hain blenden mit kalkigweißen Wänden und roten Schindeldächern im mediterranen Licht. „Endlich!" Ich seufze, trete in den Schatten und fröstle in der Kühle; die Spirale begleitet mich, als ich zum Brunnen renne und mit den Händen das erquickende Nass schöpfe, das Gesicht bespritze und vorsichtig trinke. Und jetzt der nächste Schritt! treibt mich ES an. Ich lausche ins Innere, verstehe und nicke.
    Konzentration: plötzliche Dunkelheit. Stille. Regungslosigkeit.
    Ich verliere den Körper, gehe im Punkt der nullten Dimension auf und reduziere mich somit auf reines Bewusstsein. Unbestimmte Zeit vergeht, bis ich wieder einen Leib zu besitzen glaube. Es ist keine reale Wahrnehmung, sondern Imagination, Phantomschmerzen vergleichbar. Ringsum ist grenzenlose Finsternis. Unwillkürlich mache ich Schwimmbewegungen, ein reiner Reflex. Panik und Atemnot sind ebenso Illusion, obwohl ich das Gefühl habe, in zäher Masse zu stecken, die mich wie Leim oder Sirup umhüllt.
    In diesem Moment verschwinden Druck, die zähe Behinderung und auch die Dunkelheit. Verwirrt registriere ich auf mich einprasselnde Wahrnehmungen. In der Tiefe meines Bewusstseins wispert es: Das Übergeordnete ist die Leere als Potentialität. Hier befindet sich das Wahre Sein in natürlichursprünglichem Zustand, frei von schöpferischer Aktivität: das Kosmische Bewusstsein! Grünlichtransparente Blasen und Tropfen erscheinen, kugelrund, oval, zitternd und bewegt. Reflexe tanzen auf wabbelnden Oberflächen, während die fremdartigen Gebilde langsam vorbeidriften, verfolgt von einem Schwarm roter Fäden. Weiß glühen Punkte auf, formen Rosetten, die von meerblauen Kometen zerrissen werden. In Ocker schieben sich quallenartige Halbkugeln näher, aus denen lange Tentakelfasern zucken.
    Dunkelheit bedeutet, dass die eingeschränkte Ego-Form mit der Vielfalt des Potentials nicht fertig wird! Tatsächlich beinhaltet die Leere alles - und das übersteigt die Grenzen des Egos, das sich in sich selbst zurückzieht. Abermals dieses raunende Flüstern, begleitet vom Bild dahingaloppierender Einhörner, die in der Dunkelheit entschwinden. Es gibt nur mich - Gedanken, Erinnerungen und all das, was an Regungen aus dem Unbewussten aufsteigt; Triebe und Ängste, alptraumhafte Chimären, symbolische Bilder. Einer exotischen Orchidee ähnlich wächst Helligkeit hoch, als das einsame Licht meines Ichs in der Finsternis aufklappt. Dann wird eine sich in der Schwärze verlierende Treppe, von steinerner Balustrade flankiert, scheinbar greifbares Symbol.
    Mit imaginärem Fuß betrete ich die erste Stufe, die zweite: Weit vor mir weiß ich das Ziel- es wirkt wie eine schaurige Riesenfratze mit aufgerissenem Maul. Breit und faltig droht mich die Nase zu erschlagen, obwohl ich erst auf der dritten Stufe stehe. Düstere Löcher, von knorrigen Brauenwülsten überwölbt, sind die Augenhöhlen. Die Wangen des Gesichts, verzerrt, zerfurcht und narbig, verlieren sich in Finsternis.
    Wieder eine Stufe. Über allem wartet die Fratze - mein eigenes Ego! Die Stufen sind klebrig, alles in mir
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