Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
ihrem Bauch befindliche Ladung im Verlauf der Reise zwei-, drei-, viermal weiterverkauft wurde. Das Frachtpapier, bill of lading, stellte quasi einen Aktienwert dar, und was drinstand, wurde von den Banken als Termingeschäft gehandelt. Einmal, als Olaf fragte, wieso denn die CLARA THEUNISSEN die weite Reise von Bremerhaven nach Mocámedes in Angola, von wo sie Erz zu holen hatte, mit leeren Laderäumen machte, erklärte Thormeier: »So ist es nun mal. Ein Bulkcarrier fährt die Hälfte seiner Lebenszeit im Ballast, also ohne Ladung und nur mit gefüllten Seewassertanks.« Es gab viel zu lernen für die Vettern, und je gründlicher sie sich einarbeiteten, desto häufiger ging jeder seine eigenen Wege. Der verordnete Wettstreit war ja mit dem frisch erworbenen Wissen auszutragen, und warum sollte man da seine Waffen ausgerechnet unter den Augen des anderen schärfen! Als das erste Jahr verstrichen war, trafen sie sich nur noch selten. Auch die Frauen wahrten nun Distanz, und selbst die Kinder sahen in dem anderen Theunissen-Reeder in erster Linie den Gegner ihres Vaters. Sie witterten die Gefahr, die auch für sie, die nachfolgende Generation, von ihm ausging. Im September 1991 war Olaf soweit, daß er ein Schiff kaufen konnte, einen in Jugoslawien gebauten Massengutfrachter von 23000 Tonnen. Der Neuzugang war vier Jahre alt und sollte zunächst für Kohlereisen nach Norfolk/Virginia eingesetzt werden.
    Wenige Tage nach Ankauf des Schiffes begegneten die Vettern sich zufällig im Hanseatischen Club. »Hallo«, sagte John, »ich gratuliere zu deiner Nummer dreizehn!« »Danke.«
    »Damit dürftest du jetzt vorn liegen.«
»Wer weiß! Das Ding strapaziert meine Finanzen erheblich.« Sie tranken in der Bar einen Campari-Soda, mieden jedoch im weiteren Gesprächsverlauf das Geschäftliche. Schon nach einer Viertelstunde brach Olaf auf. Er fuhr in die Reederei und traf dort seinen Sohn Jacob an, der – zusammen mit dem Geschäftsführer Pageis – den Holzhandel übernommen hatte. »Na, mein Junge! Nett, daß du mal vorbeikommst.«
    »Ich wollte dir zu deiner Neuerwerbung gratulieren.« Hinter seinem Rücken zog Jacob einen Strauß gelber Rosen hervor, um die ein breites blaues Band geschlungen war. »Ich danke dir. Wie schön, die Theunissen-Farben!«
    »Wobei mich natürlich stört, daß es auch die Farben der Konkurrenz sind.«
    »Ist nun mal so, jedenfalls noch für die nächsten Jahre.« Sie setzten sich.
    »Die Blumen, das war das eine«, sagte Jacob, »aber außerdem wollte ich etwas mit dir besprechen.«
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Gern.«
Olaf rief die Sekretärin an, und kurz darauf brachte sie das Gewünschte. Als sie wieder draußen war, sagte er: »Daß Frau Mischke uns den Kaffee serviert, paßt wohl kaum in dein emanzipatorisches Weltbild und eigentlich auch nicht in meins. Aber sie hat mir mal gesagt, im Vergleich zum Alten sei ich in dieser Hinsicht ein Waisenknabe.«
»Zu Onkel Claas?«
»Ja, die Reedereiangestellten wie auch die Besatzungen seien zwar keine Leibeigenen gewesen, aber in die Richtung sei es doch ein bißchen gegangen.«
»Grauenhaft.«
»Ganz und gar nicht. Sie alle haben ihn geradezu verehrt. Also, was willst du mit mir besprechen?«
»Es geht um die OLGA THEUNISSEN. Wann kommt sie in Talcahuano an?«
»Du fragst wegen deiner Holzladung?«
»Ja. Einen Teil hab’ ich nämlich schon verkaufen können.«
»An wen?«
»SCHATTMANN & SÖHNE in Augsburg.«
»Guter Kunde.«
»Sie haben einen großen Bauauftrag an Land gezogen und brauchen das Holz schnell. In spätestens drei Monaten soll ich liefern, muß morgen entweder fest zusagen, oder das Geschäft geht mir durch die Lappen.«
»Drei Monate? Das könnte zu schaffen sein. Um was für Holz handelt es sich eigentlich?«
»Da ist erst mal das Swietenia-Rundholz, das …«
»Aber Junge, Chile exportiert doch seit …, na, ich schätze, seit zwei Jahrzehnten kein Swietenia-Rundholz mehr, sondern nur noch parallel besäumte Ware, Holz also, bei dem …«
»Ich weiß«, beeilte sich Jacob, dem Vater zu antworten, und er tat es mit dem Eifer eines Schuljungen, der beweisen will, daß er seine Hausaufgaben gemacht hat. »Holz, bei dem man nicht einfach die Bretter vom Stamm runterschneidet, sondern Kreissägen mitlaufen läßt, die die Baumkante und den Splint abtrennen.«
»Hast ja schon ’ne ganze Menge gelernt!«
»Klar. Und jetzt fällt’s mir auch wieder ein. Von Rundholz war heute morgen in einem anderen Zusammenhang die Rede. Du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher