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1938 - Die Farben des Bösen

Titel: 1938 - Die Farben des Bösen
Autoren: Unbekannt
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sehr aufgeschlossen, er begegnete jedem freundlich und stellte sich ohne Ausnahme so vor: „Sag Vince zu mir." Es war, als würde er in jedem einen zukünftigen Freund sehen.
    Es gibt keinen Zweifel, daß Garron ein aufgeweckter junger Mann mit einer vielversprechenden Intelligenz und einem gesunden Maß an Ehrgeiz war. (Was ihn weiterhin nicht aus der Masse hervorhob. Der ideale Kandidat für Forschungen, dachte ich damals.) Alle Gespräche verliefen äußerst harmonisch, er reagierte auf Provokationen mit ganz normalen emotionalen Regungen. Das einzig Auffällige war das stete Ausweichen auf die Fragen nach der Vergangenheit - Garron gab zum Beispiel preis, was er als Kind am liebsten gegessen hatte, nicht aber, ob in seiner Familie das Kochen nur von der Automatik erledigt worden war.
    Diesen Punkt nutzte mein werter Kollege eines Tages zu einer direkten Provokation: ob sich bei Garron jedesmal dann die Fehlsichtigkeit einstelle, wenn er über die Vergangenheit nachdächte oder ihn jemand daran erinnern wolle.
    Darauf reagierte Garron gewissermaßen enttäuschend: überhaupt nicht. Die Sensoren zeigten nichts; er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er wirkte Lediglich leicht verwundert, und zwar in der Hinsicht, ob wir ihn für dumm verkaufen wollten: „Ich kenne meine Vergangenheit genau, aber sie ist bedeutungslos. Alles, was wichtig war, habe ich bereits erzählt. Mein Sehfehler hat damit überhaupt nichts zu tun, denn sonst müßte es jetzt schon beginnen ..."
    Er machte sich beinahe über uns lustig, weil wir so keinen Schritt weiterkamen - was natürlich andererseits nicht in seinem Sinne war. Schließlich befaßten wir uns auf seine Initiative mit ihm!
    Nachdem die psychiatrische Untersuchung kein Ergebnis gebracht hatte, habe ich mich auf die physische Erforschung des Defektes konzentriert, allerdings von vornherein ohne große Zuversicht.
    Sämtliche Psi-Untersuchungen zeigten nicht die geringste Anomalie, nicht das leiseste Anzeichen für die Veranlagung der entsetzlichen Kräfte, die er heute besitzt. Garron war damals mit hundertprozentiger Sicherheit kein Mutant!
    Die Untersuchung der Augen ergab ebenfalls nichts. Keine Krankheiten, der Augendruck war in Ordnung. Beide Sehnerven waren gut ausgebildet, die Stäbchen- und Zapfenschichten wiesen keine Anomalie auf. Die Zäpfchen reagierten korrekt auf alle, selbst sehr schwache Impulse.
    Ebenso erkannte Garron auf Anhieb die Farben richtig; es lagen keinerlei Anzeichen für Dyschromasie vor. Augenmuskeln und Trigeminus funktionierten ebenfalls einwandfrei. Genetische Untersuchungen gaben keine Hinweise auf einen angeborenen Defekt. Sämtliche Allergie- und Bluttests fielen negativ aus.
    Garron konnte nicht definieren, ob sich das Schwarzweiß-Sehen mit dem Älterwerden häufte. Die Anfälle kamen wohl stets unvorhergesehen und in unterschiedlichen Zeitabständen, sie wurden nicht durch besondere körperliche, seelische oder geistige Belastungen ausgelöst und kündigten sich auch nicht durch einen Kopfschmerz oder Augendruck an.
    Von einer Sekunde zur anderen wurde seine Welt schwarzweiß; dieser Zustand hielt einige Zeit an - Minuten oder auch Stunden, aber niemals Tage - ,und veränderte sich ebenso abrupt wieder. Diese plötzlich auftretende Achromatopsie hatte allerdings keinen Einfluß auf sein physisches und psychisches Wohlbefinden.
    Leider hatte Garron während der ganzen Untersuchungszeit nicht ein einziges Mal einen „Anfall".
    Fazit: Garron zeigte sich als vollkommen gesunder, genetisch und soziologisch unauffälliger Mensch. Ich besprach meine Ergebnisse mit den anerkanntesten Koryphäen, und alle stimmten mir zu.
    Keiner von uns hätte sich vorstellen können, wie sehr wir uns irrten ...
     
    *
     
    Nach dem schrecklichen Unfall ist natürlich klar, daß irgendwo in seinem Gehirn, tief verborgen in einer Art Larve, ein Mutagen wie ein Ungeheuer geschlummert hatte, das geduldig auf seine Stunde wartete.
    Dieses Ungeheuer hatte sich hin und wieder geregt, um instinktiv die Bedingungen zu prüfen; so, wie man manchmal im Halbschlaf das Gefühl hat, gleichzeitig zu wachen und zu träumen.
    Ob ich mir heute Vorwürfe mache? Sicher. Das tut man unweigerlich, obwohl ich die Ereignisse vermutlich nicht hätte verhindern können. Denn wie hätte ich Garron „heilen" sollen?
    Der Auslöser seiner Mutation ist uns völlig unbekannt; seine mentale Verbindung zum Hyperraum ist etwas nie Dagewesenes - und Fantastisches, wenn man diese Fähigkeit in
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