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1891 - Das Mädchen Siebenton

Titel: 1891 - Das Mädchen Siebenton
Autoren: Unbekannt
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mitgenommen, wo sie Arbeit fanden - ob in Fabriken, in der Stadt oder wie jetzt hier auf dem Land. Immer hatten sie sie bemuttert, und immer größer war die Kluft geworden, die zwischen ihnen entstanden war.
    Siebenton war anders als sie. Sie war nicht so vermessen, sich als intelligenter zu bezeichnen. Sie war einfach anders. Sie tat nicht nur das, was ihr von den Männern aufgetragen wurde, sondern stellte bei sich Fragen nach dem Sinn des Ganzen. Sie sah die Fehler in einem Arbeitssystem und wagte es als Frau, Vorschläge zur Verbesserung zu machen.
    Deshalb hatte sie (und mit ihr ihre beiden Begleiterinnen) schon ein halbes Dutzend Arbeitsanstellungen verloren. Das hatte Greine mit ihrer Bemerkung gemeint: Irgendwann würde ein Aufseher oder Verwalter kommen, vielleicht gar ein Priester, und sie nicht nur versetzen, sondern von ihren Ziehmüttern trennen.
    Die bisherigen Versetzungen waren paradoxerweise nicht deshalb erfolgt, weil Siebenton zu neugierig oder zu „aufmüpfig" gewesen wäre, sondern weil sie, so sagten es jedenfalls die männlichen Verwalter, für ihre jeweilige Arbeit eigentlich zu schade gewesen sei.
    Frauen hatten zu arbeiten, Männer hatten zu denken. So konnte man es auch sagen.
    Siebenton genoß den Rauch und ließ ihn tief in ihre Lungen dringen, bevor sie ihn wieder ausatmete.
    Diese weiße Dozz-Pfeife war das einzige Geschenk, das sie in ihrem Leben erhalten hatte. Ein Shaogen-Hüter hatte sie ihr gegeben, als sie mit einer einfachen Idee ein Problem gelöst hatte, vor dem die Männer in der Metropole Bleuht monatelang hilflos gestanden hatten.
    Siebenton war für ihr Alter schon recht weit herumgekommen, aber überall hatte sie sich im Lauf der Zeit durch ihre unfrauische Neugier und Initiative ins Abseits gerückt. Trotz Greine und Oriwad hatte sie sich mehr und mehr isoliert gefühlt.
    Und immer wie jetzt, als sie das Dozzkraut rauchte, kam die Sehnsucht über sie, wirklich Neues zu sehen und zu erleben; mit Männern zu diskutieren; Reisen zu machen, in den Weltraum. Sie hatte Wolkenort noch niemals verlassen - wie auch!
    Aber sie wußte, daß Wolkenort mit seinen zehn großen Städten nur eine Welt von unzähligen war, auf denen Mönche lebten. Sie kannte die Namen der wichtigsten: Toun, Phasenberg, Kolmersgang oder Gismer.
    Und dann gab es noch die vielen Planeten, auf denen sich anderes intelligentes Leben entwickelt hatten.
    ShaogenHimmelreich war eine Weiteninsel, eine Galaxis der Wunder - solange man nicht in ihren Rändern zu tun hatte, wo das Böse hauste.
    Siebenton versank in ihren Träumen und sah sich unter dem freien Nachthimmel Wolkenorts stehen, unter dem sternübersäten Firmament. Wolkenort, auch das wußte sie bereits, stand relativ nahe zum Zentrum der Galaxis. Es war die Hauptwelt der Mönche, und nachts zogen zwischen den bekannten Sternen andere ihre Bahn, alle mit Kurs auf die einige tausend Kilometer entfernte Metropole.
    Dies waren die Raumschiffe, die aus allen Teilen der Galaxis kamen, um Waren und Mönche zu bringen. Oder sie flogen in entgegengesetzter Richtung hinauf in die Atmosphäre und wieder fort von dem Planeten. Dann wünschte sich Siebenton jedesmal, irgendwo dort oben an Bord sein und die große Reise zu anderen Sonnensystemen mitmachen zu können.
    Eines Tages, das wußte sie, würde es soweit sein. Sie brauchte Geduld. Auch sie kannte die Stunden innerer Unausgeglichenheit. Dann verzweifelte sie fast bei dem Gedanken daran, in einem tiefen Loch zu stecken und von allem isoliert zu sein - blind und taub und stumm, lebendig begraben.
    Sie hörte, wie Greine wohlig seufzte. Oriwad gab sich wie immer schweigend dem Genuß des Dozzkrauts hin. Wenn die Frauen es rauchten, waren sie alle für sich, obwohl sie in Gruppen genossen. Jede Mönchin hatte dabei andere Empfindungen. Die eine träumte von der unendlichen Harmonie des Tod-Erlebens, die andere von Abenteuern und Glück.
    Allen gemeinsam war, daß das Dozzkraut nie böse Gedanken weckte, sondern Harmonie schuf und Kraft schenkte, inneren Frieden. Es machte nicht süchtig. Die einzige Begleiterscheinung des langjährigen Konsums war die, daß sich die blauen Hautteilchen mit der Zeit rötlich färbten. Das Schuppenkleid der Mönche schimmerte dann nicht mehr weißblau, sondern weißlichrot.
    Siebenton rauchte ihre Pfeife zu Ende, leerte sie und hängte sie sich wieder um den Hals. Sie hatte die Augen noch geschlossen und genoß das Gefühl der Inneren Ruhe. Es war wie ein Schlaf ohne Träume und
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