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1891 - Das Mädchen Siebenton

Titel: 1891 - Das Mädchen Siebenton
Autoren: Unbekannt
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Rücken fallen."
    „Ich bin nicht Klast", bekam sie zu hören. „Ich unterliege nicht den gleichen Zwängen wie er."
    Sie fragte nicht, wie das gemeint war, und erst später sollte sie erfahren, was Walyon damit hatte sagen wollen. Jetzt war sie viel zu aufgeregt, um weiter zu fragen. Sie nahm einige tiefe Züge aus ihrer Pfeife. Das Dozzkraut beruhigte, versetzte sie aber gleichzeitig in einen leicht euphorischen Zustand.
    Sollte sie doch noch das Glück haben, den Seelenhirten von Phasenberg sehen zu dürfen - wenn es ihr schon nicht möglich war, den Seelenhirten von Wolkenort einmal zu erleben? Meist zeigte er sich nur in Bleuht, einmal im Jahr. Nur wenige waren auserwählt, dabeizusein. Einfache Arbeiterinnen wie sie hatten keine Chance.
    „Ich wäre dir unendlich dankbar, Walyon", hörte sich Siebenton leise sagen.
    Walyon stand auf und lächelte.
    „Ich habe noch etwas zu erledigen", erklärte er. „In drei Stunden werde ich wieder hiersein, um dich mit meinem Gleiter abzuholen. Sei pünktlich zur Stelle!"
    „Ganz bestimmt", versprach sie und sah ihm nach, als er in der Dunkelheit wieder verschwand.
    War er nur wegen ihr gekommen? Sie war benommen und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
    Sie kam erst wieder halbwegs zu sich, als sie Oriwads meckernde Stimme hörte.
    „Wo treibst du dich herum, Siebenton?" fragte die Ziehmutter, der Greine aus dem Großhaus gefolgt war. „Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Es ist längst Zeit zum Schlafengehen."
    „Ich werde heute nicht schlafen", eröffnete ihr Siebenton. „Ich werde nach Großt fliegen."
    „Du hast zuviel Dozz geraucht!" sagten Greine und Oriwad wie aus einem Mund. Die beiden älteren Frauen sahen sich an. „Laß mich mit ihr reden!" verlangte Oriwad. „Ich habe sie damals zuerst entdeckt."
    „Ich habe sie in dem Container gefunden", protestierte Greine.
    „Aber ich habe sie vorher wimmern gehört!" Oriwad drückte die körperlich schwächere Greine) beiseite und baute sich vor Siebenton auf. „Sag das noch mal! Du willst nach Großt? Wie? Etwa zu Fuß?"
    „Jemand nimmt mich mit, und ihr könnt mich nicht daran hindern", versetzte Siebenton. „Laßt mich jetzt allein! Ich will mich vorbereiten."
    „Und wenn ich ... Ich meine, wenn wir es dir verbieten?"
    „Macht euch nicht lächerlich!" sagte Siebenton. „Ihr habt mir nichts zu verbieten. Und jetzt laßt mich allein, bitte."
    Oriwad wollte widersprechen, doch als sie in Siebentons Augen sah, blieb sie stumm. Nur zu Greine gewandt, sagte sie laut: „Komm, Greine, hier können wir nichts mehr tun. Unser halbes Leben haben wir für dieses Kind geopfert, und nun dies! Das ist seine Dankbarkeit, Greine. Wir hätten sie einfach ..."
    Den Rest hörte Siebenton nicht mehr.
     
    *
     
    Walyon war pünktlich gewesen. Er hatte sie zu Fuß abgeholt und zu einem kleinen, offenen Gleiter geführt, in dem sie neben ihm Platz genommen hatte. Es hatte sonst keine Passagiere gegeben.
    Walyon war nicht sofort nach Großt geflogen, sondern hatte immer wieder hier und dort „etwas zu erledigen" gehabt. Für Siebenton war er immer geheimnisvoller geworden. Als sie die Stadt dann am Mittag erreicht hatten, war vor den Mauern, rings um eine große Bühne, schon eine riesige Mönchsmenge versammelt gewesen.
    „Ich muß dich jetzt allein lassen", hatte der Priesterschüler gesagt, als er landete und Siebenton aussteigen ließ. „Nach der Predigt des Seelenhirten treffen wir uns an genau dieser Stelle hier wieder. Ich werde auf dich warten und dich zu deiner Kolonne zurückbringen."
    Damit war er gestartet, und jetzt senkte sich bereits wieder der Abend über das Land und die Stadt, von der Siebenton nicht viel sehen konnte. Sie war von hohen Stahlmauern umgeben, einem Relikt aus tiefer Vergangenheit, hinter denen sich jedoch - soviel wußte sie ja noch von früher, als sie in anderen Städten gearbeitet hatte - weitgestreute Komplexe aus modernster Technik und neuester Architektur verbargen. Auf Wolkenort hatten die Mönche keine Probleme damit, Altes und Neues eng nebeneinander zu sehen. In den Städten wurde mit Hochtechnologie gearbeitet, während die Arbeit auf dem Land teilweise noch wie in der Frühzeit mönchischer Kultur vonstatten ging. Für die Bewohner Wolkenorts war dies kein Widerspruch.
    Viele Hunderttausende waren gekommen, und immer noch wurden es mehr. Siebenton hatte sich einen Platz etwa fünfzig Meter von dem Podest entfernt erkämpft, über das sich ein hoher, spitzer Baldachin
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