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182 - Im Dorf der Telepathen

182 - Im Dorf der Telepathen

Titel: 182 - Im Dorf der Telepathen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Menschen wie mich aus aller Welt hierher zu rufen, für solche Scherze Zeit hat.«
    Der Weiße Ritter nickte. »Möglicherweise haben Sie Recht. Vielleicht empfinde ich wirklich etwas Ungebührliches.« Er setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Habe ich noch nicht erwähnt, dass die Macht sehr viel zu tun hat und nicht mal ein Milliardstel ihrer Aufmerksamkeit auf das richtet, was wir gerade hier tun?«
    »Ich glaube doch.« Malie nickte. »Gerade deswegen frage ich mich ja, wie groß die Kräfte sind, über die du – das kleine Rädchen – gebietest.«
    Der Weiße Ritter winkte ab. »Meine Kräfte sind nicht der Rede wert.«
    »Sie sind immerhin groß genug, dass du diesen Abschnitt der Welt…« – Malie deutete auf die verschneiten Wälder – »für deine eigenen Zwecke isolieren kannst, ohne dass die Macht es bemerkt.«
    »Ich bitte Sie, Gnädigste.« Der Weiße Ritter schaute errötend zu Boden. »Sie überschätzen mich wirklich.« Er hüstelte. »Ich bin ein Rädchen unter Millionen. Ich beaufsichtige nur einen winzigen Quadranten dieses Universums.«
    »Hast du einen Namen?«
    »Ach, nein«, sagte der Weiße Ritter. »Ich bin ein Ding, und Dinge haben keinen Namen.« Er grinste schief.
    »Stellen Sie sich jemanden vor, der Halbleiter heißt. Wäre das nicht komisch?«
    Malie nickte. Am meisten verwunderte es sie, dass das angebliche Rädchen wusste, was für sie komisch klang.
    Nicht mal alle Menschen wussten mit Komik etwas anzufangen.
    »Wo ist Theopheel?«, fragte sie, denn sie hatte den Eindruck, dass der Augenblick günstig war.
    Der Weiße Ritter zuckte die Achseln. »Bei den Narren, die aus dem Turm gestürmt sind, um ihr Glück hinter dem Horizont zu suchen.«
    »Wieso habe ich ihn nicht unter den Aussortierten in Dymonton gesehen?«
    »Warum sollten Sie ihn dort gesehen haben? Jeden Tag strömen Scharen von Telepathen in dieses Land. Nicht alle landen an der gleichen Küste, und nicht jeder Weg zum Uluru führt an dem Ort vorbei, in dem Sie neuerdings Ihr Haupt zur Ruhe betten.«
    Er hat Recht, dachte Malie. Welch anmaßende Vorstellung. Wer bin ich, dass ich glaube, die ganze Welt müsste sich um das Kaff drehen, in dem ich Station mache?
    »Ist das Tun jener, die ihr Glück hinter dem Horizont suchen, aussichtslos?«
    Der Weiße Ritter hob die Schultern. »Sie wurden nicht ohne Grund aussortiert.«
    »Wieso hat Aruula die Prüfung bestanden und ich nicht? Ich will mich nicht rühmen, aber meine telepathischen Kräfte übertreffen die ihren um das Hundertfache. Trotzdem wurde sie zurückgeschickt.«
    »Die telepathischen Fähigkeiten sind nicht das einzige Kriterium in unserem Gutachten. Habe ich Ihnen diese Antwort nicht schon einmal gegeben? Dem Ahnen sind auch Faktoren wichtig, für die es in den Sprachen der Menschen keine Wörter gibt.«
    »Ist der Ahne die Macht?«
    »Was haben Sie davon, wenn Sie es wissen?«
    »Befriedigung meiner Neugier?«
    Der Weiße Ritter lächelte nicht. Er deutete auf das Feuer und die Sitzgruppe. »Sie haben sicher Hunger. Man wird Ihnen etwas bringen.«
    Er ging hinaus. Bevor Malie Platz nehmen konnte, schwebte eine leere dunkelblaue Kutte über die Schwelle.
    Nicht existierende Hände trugen ein Tablett. Das Gespenst stellte es auf dem Tisch ab, verbeugte sich und schwebte wieder hinaus.
    Malie nahm Platz. Die unter der Pickelhaube verborgene Speise sah aus, als sei sie schon mal verdaut worden. Zum Glück stank sie nicht so.
    Malie trat an die Tür. Sie mündete in einen mit dunkelroten Teppichen ausgelegten Thronsaal.
    Sternenlicht fiel durch kleine Fenster. An den Wänden verstaubten Gobelins. Seitlich ragten Metallrüstungen auf hölzernen Fundamenten auf.
    Sie durchquerte den Saal. Der Thron war durchgesessen. Die Teppiche waren abgewetzt.
    Jedem sein Alptraumland, jedem sein Paradies. Aus dem Bewusstseinsinhalt der Anangu, die sie zur Prüfung geführt hatten, waren ihr einige Wissensfetzen über die Traumzeit-Ebene bekannt geworden: Sie war Produkt der psychischen Energie einer Macht, die auf Erden weilte, um auf etwas zu warten, das eines fernen Tages kommen würde.
    Anangu-Adepten wie jene, denen Malie begegnet war, standen seit vierzig Jahrtausenden im Dienst der Macht und hatten sich so perfekt entwickelt, dass sie mit einem Fingerschnippen auf die Meta-Ebene wechseln konnten.
    Das artifizielle Universum diente ihnen zum Rückzug aus dem Tal der Tränen und zum Sammeln neuer Kräfte.
    Es konnte aber auch zu einem Ort der Schmerzen werden, wenn man
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