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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ludwig Rellstab
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Vorbereitungen zu dem neuen Kampfe ausfüllte. Eines Abends endlich kam das Schreiben Rasinskis an. Bernhard empfing es, doch er öffnete es nicht, sondern legte es zurück bis Ludwig nach Hause käme.
    Als sie alle beisammen waren, gab er es ihm und sprach: »Lies es uns.« Ludwig nahm den Brief, erbrach ihn, warf einige flüchtige Blicke hinein und las dann mit schmerzlich erschütterter Stimme:
    »Meine Freunde! Ich habe Euere Briefe empfangen; ich erwartete sie bereits. Ihr handelt, wie es eine unerläßliche Pflicht von Euch fordert; könnte meine Liebe zu Euch noch wachsen, sie würde es dadurch. Der Altar des Vaterlandes ist der heiligste, auf dem ein Mann seine Opfer zu bringen hat. Mit seiner Geburt leistet er ihm den stummen, aber unverbrüchlichen Eid der Treue. Haltet ihn; auch ich werde ihn halten, denn ich schwur ihn wie Hannibal schon als Knabe, obgleich kein Hamilkar mich an den Opferherd führte. Stets verehrte ich die erhabene Tugend des Brutus, der seinen Söhnen das Todesurteil sprach, weil sie das Vaterland verrieten; ich müßte es Euch sprechen, wenn Ihr wie Brutus' Söhne fehltet. Kein neuer Schmerz trifft meine Seele. Ich bin daran gewöhnt, daß der eherne Fuß der Weltgeschicke die Blüten zertrete, die ich für mein Herz zu pflanzen hoffte. Das sorglose Glück der Jugend, das schönere der Liebe habe ich dem strengen Gott geopfert; auch das Band der Freundschaft will er jetzt zerreißen, doch das vermag er nicht. Ja, meine Freunde, ich habe den Schmerz in ernster Schule gelernt und bin gehärtet gegen seine Pfeile. Ein undurchdringlicher Stahl deckt meine Brust. Die rauhen Schläge des Schicksals zermalmen sie nicht mehr, sie erschüttern sie nur mit dumpfer Betäubung. Wir müssen uns bekämpfen, doch wir dürfen uns lieben. Das schöne Band unserer Herzen soll selbst das Schwert des Schlachtengottes nicht trennen. Ist es uns gleich nicht gestattet, wie die Homerischen Helden das heilige Gastrecht der Freundschaft auch im offenen Kampfe zu ehren, so können wir, edler als sie, die Hand mit Liebe drücken, von der wir fallen. Doch dieses Äußerste wird der Gott der Milde verhüten, dem wir unsere Tage anvertrauen. Freunde, Brüder! Eine gnädige Hand legte die Binde um das Auge des Menschen, daß er die Zukunft nicht schaue; oft ist es ihm heilsam, daß auch die Gegenwart sich verschleiere. Dieses Heil laßt uns als eine Wohltat erbitten und es nicht frevelnd von uns stoßen. Solange der Kampf dauert, der uns feindlich gegeneinander führt, wollen wir unsere Freundschaft nur in schweigender Brust tragen. Keiner wisse, keiner erfahre von dem andern. Denn nicht zu vermessen trotze der Mensch auf seine Kraft. Wüßte ich, wo Ihr als Gegner mir gegenüberständet, das Schwert entsänke vielleicht meiner Hand, und ich vermöchte nicht, das heilige Gelübde zu lösen. Darum trenne dieser Streit der Völker, der sich ehern erhebt, jetzt alle sanfte Bande der Liebe und Mtteilung, die sich sonst zwischen uns und den Unseligen geknüpft hätten. Vielleicht erscheint einst der Tag des Friedens, auf den Du hoffest, Ludwig, und dann werden wir uns wiederfinden. Fällt das Los des Schicksals anders, sei's darum. Wir werden es zeitig genug erfahren. So lebt denn wohl, Ihr Freunde! Und Ihr, holdselige Gestalten, an die meine Seele mit süßem Schmerze zurückdenkt, Bianka, Marie! – Leb wohl, Marie, sei glücklich, Du kannst es, denn die Jugend lächelt noch auf Deiner Wange, und noch blüht der Lenz, der neugestreute Saaten zu goldenen Früchten reift. Sei glücklich und beglücke! – Es ist genug! Wir scheiden vielleicht auf lange Zeit, vielleicht – doch meine Hand will an dem Schleier rühren, der das heilige Antlitz der Zukunft verhüllt; die Zeit allein soll ihn heben. Lebt wohl bis in den Tod. Euer Rasinski.«
    So war denn der letzte schwere Kampf der Herzen gekämpft; nur der leichtere, der des Schwertes, blieb noch übrig. Am nächsten Morgen tönten die Glocken feierlich von den Türmen; die Scharen der Krieger sammelten sich auf dem Marktplatze, Tausende der Bürger strömten herbei, um die scheidenden Kämpfer noch einmal zu begrüßen.
    Bernhard und Ludwig waren gewaffnet; ihre Rosse stampften unruhig vor der Tür. Bianka und Marie standen, in bangen Tränen, aber heilig erhoben durch die Größe des Augenblicks, an die Brüder geschmiegt. »Leb wohl, Schwester,« brach endlich Bernhard das bange Schweigen, »leb wohl! Und du, Marie? Und du?« Sie wollte ihm die Hand reichen, er zog sie
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