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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories
Autoren: Manfred Kluge
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mün­de­te die Trep­pe, wel­che hin­auf zu den Schlafräu­men führ­te. Durch die Fens­ter konn­te ich die ver­schwom­me­nen, reg­lo­sen Um­ris­se der Bäu­me ge­wah­ren: Kein Ast be­weg­te sich, kein Blatt schi­en sich zu re­gen.
    Al­lein, dies grau­en­vol­le Schwei­gen währ­te nur kur­ze Zeit. Schon wa­ren ver­stoh­le­ne Trit­te auf den Boh­len der Ve­ran­da ver­nehm­bar, doch schli­chen sie so lei­se her­an, daß ich sie nicht so sehr mit dem Ge­hör wie mit dem Ge­hirn zu er­lau­schen mein­te. Gleich da­nach ver­dun­kel­te ei­ne schwar­ze Ge­stalt das Glas­ge­viert der Tür, und ich ge­wahr­te, daß ein Ge­sicht sich ge­gen die obe­ren Schei­ben preß­te. Ein Schau­der lief mir den Rücken hin­un­ter, und durch mei­ne Kopf­haut rie­sel­te ein Ge­fühl, als stün­den mir jetzt und jetzt die Haa­re zu Ber­ge – ja als sträub­ten sie sich schon nach al­len Rich­tun­gen um mei­ne Schlä­fen!
    Es war die Ge­stalt ei­nes In­dia­ners – ei­nes rie­sen­haf­ten, breit­schult­ri­gen In­dia­ners. Tat­säch­lich, sie war grö­ßer, als ich der­glei­chen je­mals au­ßer­halb von Schau­stel­lun­gen ge­se­hen hat­te. Zu­fol­ge ir­gend­ei­ner Licht­quel­le, die sich aus mei­nem Hirn zu spei­sen schi­en, konn­te ich die dunklen Zü­ge, die brei­ten Ba­cken­kno­chen und die flach ge­gen die Glas­schei­be ge­preß­te Ad­ler­na­se deut­lich un­ter­schei­den. Die Blick­rich­tung frei­lich ver­moch­te ich nicht zu er­ken­nen, doch zeig­te mir ein ge­le­gent­lich auf­leuch­ten­der Schim­mer, wel­cher von dem Weiß der Horn­haut her­rühr­te, daß dem Spä­hen die­ser rol­len­den Au­gäp­fel auch nicht die ver­bor­gens­te Ecke des Zim­mers ent­ging.
    Vol­le end­lo­se fünf Mi­nu­ten, so schi­en es mir, wich die Ge­stalt nicht von der Tür – hielt sie die mäch­ti­gen Schul­tern ge­krümmt, um durch die nie­de­re Ver­gla­sung spä­hen zu kön­nen. Da­hin­ter aber, wenn auch längst nicht so groß, wan­der­te die schat­ten­haf­te Ge­stalt des zwei­ten In­dia­ners hin und her, und dies Schat­ten­wan­dern ge­mahn­te an die Be­we­gun­gen ei­nes im Win­de schwan­ken­den Bau­mes. Und wäh­rend ich noch in al­ler Auf­re­gung und Ge­spannt­heit des nächs­ten Schrit­tes mei­ner Wi­der­sa­cher harr­te, lief mir ein ei­si­ger Schau­der das Rück­grat hin­auf und hin­un­ter, schi­en mein Herz ab­wech­selnd ste­hen­blei­ben und gleich da­nach wie­der mit ja­gen­der Schnel­lig­keit durch­ge­hen zu wol­len. Jetzt muß­ten die bei­den das ra­sen­de Po­chen, das Sin­gen des Bluts in mei­nen Schlä­fen ge­hört ha­ben! Und als mir gar der kal­te Angst­schweiß aus der Stirn brach und übers Ge­sicht rann, ward ich mir auch noch des drin­gen­den Wunsches be­wußt, auf­zu­schrei­en und heu­lend ge­gen die Wän­de zu trom­meln wie ein Kind – auf ir­gend­ei­ne Wei­se Lärm zu schla­gen oder sonst et­was zu tun, was die­se un­er­träg­li­che Span­nung lö­sen, was die Din­ge zu ei­nem ra­schen En­de brin­gen moch­te!
    Viel­leicht war es die­ses Be­dürf­nis, das mich ei­ne wei­te­re Ent­de­ckung ma­chen ließ: Als ich näm­lich ver­such­te, das Ge­wehr hin­term Rücken her­vor­zu­zie­hen, um es schuß­be­reit ge­gen die Tür zu rich­ten, fand ich mich au­ßer­stan­de, auch nur die kleins­te Be­we­gung zu ma­chen. Die angst­ge­lähm­ten Mus­keln ge­horch­ten mei­nem Wil­len nicht mehr! Das war nun frei­lich ei­ne grau­si­ge Kom­pli­ka­ti­on!
    Jetzt wur­de ganz lei­se am Mes­sing­knauf der Tür ge­rüt­telt – jetzt ward sie spalt­breit ge­öff­net! Ei­ni­ge Se­kun­den ver­stri­chen – und nun ging sie vollends auf. Die bei­den Ge­stal­ten glit­ten ins Zim­mer, so laut­los, daß ich kei­nen Hauch ver­neh­men konn­te – und dann drück­te der zwei­te Ein­dring­ling die Tür be­hut­sam ins Schloß.
    Nun hat­ten sie mich zwi­schen die­sen vier Wän­den ganz für sich. War’s mög­lich, daß sie mich er­blick­ten, wäh­rend ich so still und starr wie ein Stock in mei­ner Ecke stand? Hat­ten sie mich schon vor­her er­blickt? Mein Blut saus­te, mein Puls trom­mel­te mir in den Oh­ren! Und ob­schon ich nach Kräf­ten be­müht war, mein At­men nicht hö­ren zu las­sen, tön­te es
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