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1784 - Geisterauge

1784 - Geisterauge

Titel: 1784 - Geisterauge
Autoren: Jason Dark
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den Beweis holen. Dass es gefährlich war, wusste ich, und so stieg ich die wenigen Stufen hoch, die mich von den beiden trennten.
    Auch jetzt taten sie nichts. Das Auge und das Kind, das für mich keines mehr war, blieben starr.
    Etwas kribbelte auf meiner Haut. Und zwar dort, wo das Kreuz hing. Ich überlegte, ob ich es hervorholen sollte, ließ es aber bleiben und wartete darauf, dass die andere Seite etwas unternehmen würde.
    Sie tat nichts. Nur das Auge zuckte leicht, als wollte es mir zeigen, dass es nervös war.
    Ich hatte die rechte Hand angehoben, um nach dem Auge zu greifen. Ich wollte es in meiner Hand liegen sehen, auch um es dann zu zerstören. Es klappte nicht. Ich griff durch das Auge hindurch und spürte nur ein starkes Kribbeln in der Hand, das sich bis in die Spitzen der Finger fortsetzte.
    Das Auge ließ sich nicht greifen. Wahrscheinlich befand es sich bereits in einem anderen Zustand oder sogar in einer anderen Dimension, und das gefiel mir überhaupt nicht.
    Ich versuchte es erneut.
    Wieder konnte ich es nicht greifen, hörte dafür aber Sarah Lanes Gelächter. Obwohl sie sehr nahe bei mir stand, hörte sich das Lachen schon fern an.
    »Wo befindest du dich jetzt?«, fragte ich sie.
    »Weit weg und trotzdem nahe.«
    »Ist es eine andere Dimension?«
    »Ja.«
    »Welche denn?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich eine Botschafterin bin. Ich bin das Auge. Ich bin der Mittler zwischen den Welten und...«
    »Und wo sind wir hier?«
    »Auf der Erde.«
    Ich nickte. »Stimmt.«
    Das Auge bewegte sich. Es war eigentlich nur die Pupille, die leicht zuckte. Ich wusste auch nicht so recht, wohin ich schauen sollte. Wer war denn jetzt wichtig? Oder wichtiger? Sarah Lane oder das Auge? Vielleicht gab es zwischen ihnen keinen Unterschied mehr, und kaum war mir der Gedanke gekommen, da sah ich es.
    Der Körper des Mädchens und das Auge waren eins geworden. Ich sah es in Sarahs Gesicht. Das Auge hatte sich dort regelrecht hineingepresst, und was ich sah, das sah Jane Collins auch.
    »John, jetzt haben sie es geschafft. Jetzt sind sie eine Symbiose eingegangen. Das Auge hat einen Wirt gesucht und ihn endlich gefunden, so musst du das sehen. Es ist etwas Neues entstanden, und ich weiß nicht, ob man es als gut ansehen kann.«
    Der Meinung war ich auch. Sarah Lane stand vor mir, aber es war nicht mehr die, die ich kannte. Sie schaute mich an, und das tat sie aus einem Auge. Es hatte sich vor ihr Gesicht geschoben, und es hatte somit einen neuen Menschen geschaffen.
    Ich spürte die Feindschaft, die von diesem neuen Geschöpf ausging. War das noch ein Mensch? Ich wusste es nicht. Dem Körper nach schon, dem Gesicht nach nicht, das weiterhin fast nur noch aus dem Auge bestand.
    »Jetzt ist es stofflich – oder?«, hörte ich Jane Collins flüstern.
    Ich nickte.
    »Ich denke, dass wir jetzt etwas tun müssen.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Hast du eine Idee?«
    Die hatte ich. Auf meiner Haut an der Brust spürte ich noch immer das schwache Brennen. Bisher hatte ich das Geschöpf noch nicht mit dem Kreuz konfrontiert. Dass das Auge nicht auf meiner Seite stand, merkte ich schon, und ich wollte einen letzten Versuch starten. Ein Mensch war Sarah nicht mehr. Ich musste davon ausgehen, dass ich es mit einer dämonischen Gestalt zu tun hatte.
    Sie ging auf mich zu. Ich wich zurück. Nicht aus Feigheit, ich wollte mehr Bewegungsfreiraum haben. Das Kreuz hing noch an seiner Kette um meinen Hals. Als die Gestalt den nächsten Schritt ging, da hatte ich den Eindruck, als würde die Luft in ihrer unmittelbaren Nähe leicht anfangen zu flimmern. Es konnte sein, dass sich Sarah Lane einen Fluchtweg suchte. Der Wirt in ihr wollte das so haben. Das Auge war jetzt ihre Seele, es trieb sie voran, es hatte sie getestet und dann bei ihr eine Heimat gefunden. Jemand, der seine Eltern umbrachte, der konnte nur schlecht sein, aber für das Auge war er ein idealer Partner.
    »John, tu was – bitte!«
    »Keine Sorge.«
    Ich war es gewohnt, das Kreuz schnell ins Freie ziehen zu können. Das tat ich auch hier, und plötzlich wurde es von diesem Auge gesehen, für das es eine überraschende Konfrontation war. Da standen sich zwei Welten gegenüber.
    Ich wartete ab. Ich war bereit, die Formel zu rufen, doch dazu kam ich nicht mehr. Ob Jane die Nerven verloren oder bewusst so reagiert hatte, wusste ich nicht. Jedenfalls konnte sie nicht mehr an sich halten und schoss auf das neue Gebilde.
    »Ja!«, schrie sie und dann noch mal.
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