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177 - Im Reich der Hydriten

177 - Im Reich der Hydriten

Titel: 177 - Im Reich der Hydriten
Autoren: Jo Zybell
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fruchtbaren Ebene, und die Kämpfer – fast durchweg nomadische Hirten – überboten sich darin, die grünen Weiden und den fetten Boden des Landes zu preisen. Sie gierten danach, sie waren bereit, jeden Preis zu zahlen, um es endlich bebauen und ihre Herden darauf weiden zu können. Der Preis war hoch, und er hieß: Blut. Denn erst einmal musste diese Stadt erobert werden, die größte und am besten bewachte Stadt der Eingeborenen. Sie war von einer hohen, stark befestigten Mauer umgeben.
    Der Heerführer hatte Späher in die Stadt geschickt.
    Eine Hure hatte sie in ihrem Haus versteckt. Keiner konnte sich ihren Verrat erklären. Vom Hause der Verräterin aus hatten die Späher die Stadt ausgekundschaftet. Tausende von Schwerbewaffneten bewachten sie, lauter kampferprobte Männer. Elijahu dagegen lebte unter wilden Nomaden. Eine Ahnung von Disziplin und Strategie hatten sie erst unter ihrem neuen Heerführer bekommen. Aus irgendeinem Grund war der davon überzeugt, diese Stadt besiegen zu können.
    Allein der Gedanke daran ekelte Elijahu. Drei Nächte hatte der oberste Priester mit sich gerungen. Dann hatte er beschlossen, zu bleiben und dem Heerführer bei der Eroberung der Stadt zu helfen. Blut würde so oder so fließen. Wenn er eingriff, hatte er wenigstens eine Chance, das Blutvergießen zu verkürzen. Und dann waren da noch seine Schüler. Sein Herz hing an ihnen…
    Sechs Tage lang waren sie einmal täglich um die Mauern der Stadt marschiert, der ganze wilde Haufen mitsamt der Priester und der Sänfte mit dem Heiligtum.
    Die Kämpfer hatten keinen Ton von sich gegeben, genau wie ihr Heerführer es geboten hatte; kein Kriegsgeschrei, kein Gelächter, keine Flüche, nichts. Nur Elijahu und die anderen sechs Posaunenträger bliesen in ihre Instrumente. Eine gespenstische Veranstaltung.
    Am Morgen des siebten Tages trat der Heerführer vor Elijahu und seine Priester und vor die Hauptleute der Kämpfer. Er war ein hoch gewachsener, kräftig gebauter Mann mit struppigem Bart, schwarzer wilder Mähne und sonnenverbrannter, fast schwarzbrauner Haut. Elijahu mochte ihn nicht. Er war ein tumber Militär, ein Gewalttäter, ein Schlächter. Dass der oberste Priester nach jenen drei Nächten den wilden Haufen nicht verlassen hatte, dass er noch immer mit diesen barbarischen Nomaden zog – es lag nicht an Leuten wie diesem Heerführer, es lag an den Männern und Frauen, die ihr Herz seinen Lehren und seiner Weisheit geöffnet hatten. Ja, Elijahu hing an seinen Schülern; er liebte sie.
    Dieser Heerführer also trat am siebten Tag der Belagerung vor seine Anführer und die Priester und sagte: »Heute ist es so weit, heute werden wir ihr Fleisch den Vögeln unter dem Himmel zu fressen geben. Allein diese Rahab, diese Hure und ihre Sippschaft lasst mir am Leben.«
    Er deutete in die Ebene hinunter, wo die Stadt inmitten von Feldern und Hainen lag, wie eine reife Frucht auf einer Tonschale. »Heute ziehen wir sieben Mal um die verdammte Stadt, und beim siebten Mal sollen die Männer schreien und singen und fluchen, was das Zeug hält. Und dann blast in die Posaunen!« Er richtete seine schwarzen Augen auf Elijahu. »Blast so laut, dass ihren Göttern die Ohren zufallen! Blast ihnen zum letzten Tanz! Und dann wird die verdammte Mauer zusammenbrechen!« Elijahus Blick hielt die glühenden Augen des Heerführers fest.
    »Einfach so zusammenbrechen?« Einer der Hauptleute sah sich nach seinen Mitstreitern um. Die waren genauso verblüfft wie er selbst. »Bist du da auch ganz sicher, Joshua?«
    Der Heerführer sah noch immer zu seinem obersten Priester. »Darauf kannst du einen lassen. Hab ich Recht, Elijahu?« Elijahu nickte, weiter nichts.
    Danach ging es hinunter in die Ebene und zur Stadt.
    Nur die Frauen und Kinder und Alten blieben bei den Ziegen und Schafen und Rindern zurück.
    Sie zogen um die Stadt herum, schweigend. Nur die Schritte der Zehntausende hallten von der starken Stadtmauer wider. Elijahu und seine sechs Posaunenträger schritten vor der Sänfte mit dem Heiligtum. Sie hatten ihre Instrumente in die Hüften gestemmt.
    Auf den Mauern standen die Bewohner Jerichos, verhöhnten sie als schmutzige Nomaden und lachten sie aus. So ging das sechs Runden lang, es wurde Mittag, und die Wut unter den Kämpfern wuchs. Dann kam die siebte Runde. Der wilde Joshua und seine schmutzigen Nomaden und stinkenden Hirten schrien ihren Zorn und ihren Blutdurst hinaus, und Elijahu und seine Priester setzten die Posaunen an die
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