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1756 - Das Grauen hieß Elvira

1756 - Das Grauen hieß Elvira

Titel: 1756 - Das Grauen hieß Elvira
Autoren: Jason Dark
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war am Mittag, Feierabend erst gegen zweiundzwanzig Uhr. Sie bekam gutes Geld und erhielt einen eigenen Arbeitsplatz, an dem sie schalten und walten konnte, wie sie wollte.
    »Zufrieden?«
    »Ja, Mrs Quest.«
    »Dann unterschreiben Sie.«
    Ihr wurde ein Stift entgegengehalten. Elvira nahm ihn und setzte ihre Unterschrift unter den Vertrag. Jetzt fühlte sie sich besser und komischerweise auch irgendwie sicherer.
    »Dann können Sie ja gleich hier bei uns bleiben und in der Kantine etwas essen. Sie melden sich dann auf der ersten Etage bei Linda Boyle. Sie ist dort so etwas wie eine Chefin.«
    »Ja, danke.«
    »Von Linda bekommen Sie auch Ihr neues Outfit.«
    »Aha. Gehe ich dann als Engel?«
    »Ja, aber ganz anders. Nicht als einer im hellen Gewand und mit knisterndem Blondhaar, sondern mehr der weltliche Engel, der auch ans Verkaufen denken muss. Verstehen Sie mich?«
    »Klar. Ich richte mich ganz danach, was man mir sagt.«
    »Gut.« Mrs Quest schaute Elvira an. »Und sehen Sie zu, dass Sie einiges verkaufen. Sie sind nicht nur als Objekt zum Staunen da. Sie müssen mit den Käufern reden und ihnen erklären, warum Sie nicht so aussehen wie diese geschönten Engel mit ihren silberblonden Haaren.«
    »Mir fällt schon was ein.«
    »Das hoffe ich.« Die ältere Mitarbeiterin telefonierte innerhalb des Hauses und erklärte Elvira, dass sie gleich abgeholt werden würde, um zu Linda Boyle gebracht zu werden. Elvira wurde wieder in das Vorzimmer geschickt, um dort zu warten. Zwar gab es auch hier einen Schreibtisch, aber der war nicht besetzt.
    Gespannt war Elvira auf die nächsten Stunden und darauf, was sie erwartete. Sie selbst fühlte sich gut, wenn auch noch nicht so stark wie in der U-Bahn, denn genau diese Stärke mochte sie...
    ***
    Der Baum war groß. Er reichte bis zur Decke und die lag schon recht hoch. Er war festlich geschmückt. Mit goldenen und silbernen Kugeln, mit Schleifen, Spielzeug, Paketen und elektrischen Kerzen. Der Baum stand auf einer Insel. Er war praktisch so etwas wie der Mittelpunkt dieser Etage, und es gab wohl keinen Kunden, der ihn nicht sah, wenn er die Etage erreichte. Er war ein Blickfang. Auf seinem Areal agierte Elvira Little als Engel und auch Verkäuferin, denn es wurden in der Nähe weihnachtliche Waren angeboten, auf die Elvira immer wieder hinwies, wenn Kunden kamen.
    Sie selbst musste nicht direkt verkaufen. Dafür gab es ein junges Mädchen, das sich darum kümmerte, und eine zweite Kollegin saß hinter einer Kasse. Sie wartete dort, hatte aber weniger zu tun, denn so viel wurde nicht gekauft.
    Wenn Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern auf die Insel kamen, wurden die Kleinen besonders begrüßt. Es standen mehrere große Tüten mit Süßigkeiten bereit, denn wer die Kinder hatte, der bekam auch schnell die Mütter.
    Ein kleines Mädchen staunte Elvira an. »Bist du ein Engel?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Du siehst aber nicht so aus.«
    »Wieso nicht?«
    »Du bist nicht blond.«
    Elvira verdrehte die Augen. »Müssen Engel denn unbedingt immer blond sein?«
    Die Kleine nickte. »Ja, das ist so.«
    »Und wer hat das gesagt?«
    »Meine Mutter!«
    »O ja, wenn Mütter das sagen, muss es wohl stimmen. Denn Mütter lügen nicht.«
    »Genau, das ist so. Mütter lügen nicht. Dann bist du kein Engel?«
    »Doch, schon.« Sie lächelte, obwohl sie der Kleinen am liebsten den Hals umgedreht hätte. Sie hasste es, wenn sie so lange aufgehalten wurde und dabei nichts herauskam.
    Das Mädchen schaute sie scheu von der Seite an. »Du bist ein komischer und ein blöder Engel«, sagte sie und nickte heftig.
    »Und du bist eine dumme Göre!« Die Antwort zischte sie der Kleinen ins Gesicht. »Gib nur acht, dass kein Engel kommt, dich plötzlich packt und in die Hölle wirft.«
    Mit so etwas hatte die Kleine nicht gerechnet. Sie verzog das Gesicht und rannte zu ihrer Mutter.
    Elvira Little atmete auf. Dieses Problem hatte sich erledigt. Sie hasste diese Ablenkungen, aber sie konnte das Kind sogar verstehen, denn sie sah wirklich nicht aus wie ein Engel, trotz des langen schwarzroten Samtkleides, das sie trug. Es hatte einen viereckigen Ausschnitt, der eine Brokatborte hatte, die den Ansatz der Brüste sehen ließ und die helle Haut. Elvira trug noch eine kurze Jacke aus dünnem Leder. Das schwarze Haar hatte sie in der Mitte gescheitelt.
    So ging sie durch die Insel. Sie sprach die Kunden an, um sie zum Kaufen zu animieren, und das gelang ihr auch immer besser, nachdem sie die ersten Hemmungen
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