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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht
Autoren: Ronald M. Hahn
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versorgten mich, und ich hatte bei ihnen immer ein gutes Leben.
    So schlich ich mich in der Nacht vor dem Aufbruch meiner Tanten aus unserem verwüsteten Dorf und wanderte dorthin, wo die Jackos lagerten, wenn sie in die Wüste kamen, um zu jagen.
    Doch diesmal war alles anders. Als die Sonne aufging und ich den Lagerplatz erreichte, fand ich niemanden vor. Das machte mir Angst, denn es hätten Jäger dort sein müssen. Ich suchte nach ihnen. Ich ging weit, fast bis an den Rand der Ruinen, in denen sie hausten.
    Ein Dinguh, der mir folgte, griff mich an, als es dunkel wurde, aber er war krank und schwach, und ich erschlug ihn mit meiner Axt. Als ich zu den Ruinen der Jackos kam, brannten sie an verschiedenen Stellen. Ich hörte auch eine Knallerei, als wären tausend Jäger zugleich auf Beute aus.
    Dann kam die Nacht. Die Schüsse wurden weniger, und irgendwann, als die Flammen rot zum Himmel loderten, verstummten sie.
    Ich trank aus meiner Feldflasche, setzte mich in den Sand und wartete den Tag ab. Am nächsten Morgen fühlte ich mich schmutzig und zerschlagen. Es fiel mir schwer, mich aufzuraffen und in die Stadt zu gehen, die nun, am Tag, ganz still war und nach Rauch stank.
    Da und dort schwelten Brände. Da und dort sah ich tote Jackos – Männer, Frauen, Kinder – in den Straßen liegen.
    Große Aasvögel kreisten über den heruntergekommenen Häusern; andere hockten auf den Leichen und rissen Fleischstücke aus ihnen heraus.
    Ich fand Waffen – kleine und große Schießeisen – und lud mir so viele auf, wie ich tragen konnte. Ich irrte durch die Ruinen der Stadt, deren Namen ich nicht kannte, und suchte nach Überlebenden, die ich nicht fand. So vergingen Tage, ohne dass ich erfuhr, was eigentlich passiert war und wer wen warum getötet hatte. Aasvögel und Scharen von Ratzen, die aus Kellern und Erdlöchern kamen, säuberten die Straßen. Der Qualm verzog sich, doch der Gestank nach Brand und Tod blieb.
    Ich fand zu Essen und zu Trinken, genug, um für Wochen am Leben zu bleiben. Dann begegnete ich an einem Morgen einem Kommando der Tapferen Schwestern. Sie waren meinen Tanten begegnet und hatten erfahren, dass die dumme und faule Orlee nicht mitgekommen war, weil sie bei den Jackos ihr Glück machen wollte.
    Ich war so froh, die Schwestern zu sehen, dass ich weinte.
    Nach allem, was ich in der Einsamkeit erlebt hatte, sehnte ich mich nach menschlicher Gesellschaft. Man nahm mich mit. Ich wohnte, wie viele andere Findelkinder, in ihrer Ordensburg am Meer. Es dauerte fast ein Jahr, bis ich meine Probleme überwunden hatte, doch ich besserte ich mich – nicht zuletzt weil Lernschwester Marnee guten Einfluss auf mich hatte.
    Dann wurde ich zur Ehrwürdigen Mutter gebeten, die mir eröffnete, es sei an der Zeit zu prüfen, ob ich geeignet sei, in die Garde der Kristallenen Göttin aufzusteigen.
    Es erschreckte mich. Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte. Ich kam aus der Wüste. Ich hatte zu viel Schlimmes erlebt, um noch an irgendetwas zu glauben.
    Doch während ich noch überlegte, ob es angebracht war, mich gegen jene Kräfte zu stellen, die mein Leben gerettet hatten, tauchte Marnee neben mir auf. Sie und die Ehrwürdige Mutter brachten mich in einen Turm. Die Wachen erwiesen mir die Ehre, und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem runden Raum. Es gab nur eine Lichtquelle: ein kleines rundes Fenster, fünf Meter über mir. Der Boden bestand aus festgetretener Erde. In der Mitte des Raumes ragte ein verhüllter länglicher Gegenstand auf.
    Mich gruselte. Bevor die Tür sich hinter mir schloss, fragte ich die Ehrwürdige Mutter, wie sie herausfinden wolle, wozu ich geeignet sei, wenn sie mich allein ließ, statt mir Fragen zu stellen
    »Ich stelle keine Fragen.« Die Ehrwürdige Mutter deutete auf den verhüllten Gegenstand, der vor mir aus dem Boden ragte. »Sie stellt die Fragen…«
    Die Tür ging zu.
    Dann spürte ich die Kristallene Göttin in mir.
    ***
    Es war Suúna sichtlich schwer gefallen, Aruula zu beichten, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Sie drückte es so aus: »Ich bestehle die Reichen und gebe einen Teil der Beute den Bedürftigen.« So griff sie auch seit Jahren den Dörflern unter die Arme, was Aruula, die das »Gewerbe« der jungen Frau nicht gutheißen wollte, neben Suúnas Offenheit milde stimmte.
    »Nach einer Expedition, die mich beinahe Kopf und Kragen gekostet hatte, kehrte ich in den Ort zurück, über den meine Ahnen einst geherrscht hatten«,
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