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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht
Autoren: Ronald M. Hahn
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Metallschmuck durchstochenen Leib und schüttelte sich innerlich. Die Vorstellung, sich so etwas selbst anzutun, war befremdlich.
    Oder war es ihr angetan worden – von irgendwelchen Typen, die auf diese Weise eine Kette an ihr befestigen konnten, um der Welt zu zeigen, dass sie Besitz war.
    Aruula beschloss, Suúna nicht danach zu fragen, um nicht vielleicht alte Wunden aufzureißen, die tiefer gingen als die abartigen Schmuckstücke.
    Sie schaute sich um. Hinter der blaugrünen Dschungelwand zirpte, trällerte, pfiff, knurrte und fauchte es. Vögel mit krummen Schnäbeln saßen auf den Ästen und balzten.
    Schwarze Ferkel mit langen Rüsseln grunzten durchs Unterholz oder spielten mit nackten Kindern, die sich im Umgang mit Pfeil und Bogen übten. Die Männer im Dorf und am Flussufer trugen bunte Lendenschurze. Die Frauen waren barbusig.
    »Wer waren die Männer an der Hängebrücke?«, fragte Aruula unvermittelt.
    »Was?« Suúna setzte sich hin, zog die Beine an und schlang die Arme um ihre Knie. Aruula fühlte sich spontan an die Lausch-Position erinnert.
    »Die Sklavenhändler«, ergänzte sie.
    »Es waren Lumpen.«
    »Das ist mir klar. Kanntest du sie?«
    Suúna schien kurz zu zögern, dann nickte sie. »Besser als du glaubst. Eigentlich waren sie mir auf den Fersen. Du bist ihnen nur zufällig über den Weg gelaufen.« Suúna befeuchtete ihre Lippen. »Sie wussten nicht, dass ich die Brücke schon überquert hatte. Sie gingen davon aus, dass ich erst noch kommen würde. Ich habe sie beobachtet. Als ich dich sah, wusste ich sofort, dass du das perfekte Opfer für sie warst…«
    »Wären sie nicht zu sechst gewesen«, sagte Aruula grimmig, »hätte ich es drauf ankommen lassen…«
    »Ich traue es dir zu.« Suúna zuckte die Schultern. »Aber glaub mir: Es war besser zu fliehen, als Gefahr zu laufen, der Nadjibullah-Sippschaft in die Hände zu fallen. Diese Piigs leben davon, dass sie Frauen fangen und verkaufen, damit sie in einem Gewerbe arbeiten, das wenig ehrenwert, doch profitabel ist, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Aruula nickte. »Dass der mit dem roten Turban mich als Metze bezeichnet hat, ist ihn teuer zu stehen bekommen.«
    Suúna riss die Augen auf. »Taniz? War er dabei?«
    »Ich weiß nicht, wie er hieß, aber ich habe ihn getötet.«
    Aruula nickte. »Es war eigentlich ein Versehen, aber vermutlich hätte ich ohnehin keine andere Wahl gehabt. Hätte ich ihm keinen Tritt verpasst, wäre ich auf dem Sklavenmarkt gelandet. Leider hat er sich den Hals gebrochen.«
    Suúna erbleichte. »Das ist übel, Aruula.«
    »Wieso?«
    »Taniz war der älteste Sohn des Banditen Abdul Nadjibullah, der in seiner Wut angeblich fünf Zentner wiegt.«
    Suúna sprang auf, nahm Aruulas Hand und zog sie hoch.
    »Komm, wir müssen sofort verschwinden…«
    Aruula konnte gerade noch ihr Zeug packen, dann zerrte Suúna sie schon hinter sich her. Sie liefen den Uferhang hinauf und eilten durch den Wald zum Dorf.
    ***
    Ich bin Orlee.
    Die Kristallene Göttin kam über mich, nachdem ich mich mit Marnee angefreundet hatte.
    Sie war achtzehn, wie ich, doch im Gegensatz zu mir bei den Tapferen Schwestern aufgewachsen. Auch ihre Mutter war eine Schwester gewesen, deswegen strebte Marnee ihr nach.
    Ich war ein dummes Gör, gezeugt und zur Welt gebracht von einer armen und dummen Mutter, aufgewachsen in der Nähe der Ruinen von Pardoo und – wie sie – keinem billigen Vergnügen abgeneigt.
    Als ich in die Ordensburg kam, sollte ich Pflichten übernehmen. Dazu war ich nun gar nicht geeignet, denn ich hatte mich jahrelang nur herumgetrieben und mich für Essen und Trinken von Jackos begrabschen und füllen lassen. Meine Ankunft in der Ordensburg war ein einschneidender Eingriff in mein Leben. Zuvor hatte ich keine Ordnung gekannt. Ich brauchte viele lange Gespräche mit der geduldigen Marnee, bis ich begriff, dass ich nicht richtig tickte.
    Ich schenkte ihr mein Vertrauen. Ich erzählte ihr von Mama, die den Anunga keine Ehre gemacht hatte.
    Nach Mamas Tod – sie starb, wie viele andere, bei einer Schlacht gegen ein Taratzenrudel – gaben meine Tanten auf.
    Sie wollten an die Küste ziehen, nach Deeby, in die Bucht, in der die Ordensburg der Tapferen Schwestern der Kristallenen Göttin stand. Sie wollten mich mitnehmen, aber ich war zu dumm und fern von jeder Vernunft: Mich lockten die Jackos aus den Ruinen, die mit Schießeisen jagten und immer Fleisch und Wasser hatten. Außerdem hatten sie mich gern; sie stopften und
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