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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Autoren: Karl May
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großer, vortrefflicher und berühmter Kara Ben Nemsi, wollt Ihr dieses Festnehmen des Kurden nicht mir überlassen? Habe während dieses ganzen, langen Rittes nichts tun können, gar nichts, und hätte doch so gern mit einem Regenwurm gekämpft, oder wenigstens einen Lindwurm totgetreten. Jetzt gibt es die schönste Gelegenheit, meine acht Finger, die mir übrig geblieben sind, um den Hals eines Bebbehkurden zu legen. Erlaubt mir das, Sir! Ich zahle Euch gern hundert oder auch noch mehr Pfund Sterling dafür!“
    „Könnt es ohne Zahlung haben, Mylord. Ich will es Euch erlauben, doch unter der Bedingung, daß ich dabei bin und daß Ihr Euch nach meinen Vorschriften richtet!“
    „Well, zugestanden, yes! Bebbehkurde, Finger, Hals, Vorschriften, vortrefflich, unvergleichlich! Nun geht doch endlich einmal das ordentliche, solide Leben wieder an!“
    Er rief das so laut aus, daß ich ihn ersuchen mußte, ruhig zu sein. Nach einiger Zeit ging der Mond auf, und ich nahm an, daß die Kurden nun ihr Lager auf dem Wiesenplatz verlassen würden. Ich stieg also, natürlich ohne den Haddedihn von meinem Vorhaben Mitteilung zu machen, mit dem Engländer die kurze Strecke nach der Felsenenge hinab, wo wir uns verbergen wollten.
    Da sie an ihrer oberen Seite von dem Feuer der Haddedihn beleuchtet wurde, so durchschritten wir sie und legten uns an ihrer unteren, unbeleuchteten Seite hinter einem Gebüsch nebeneinander auf den Boden nieder. Wir konnten annehmen, daß uns der Späher hier, wo es dunkel war, nicht sehen werde.
    „Ob er aber auch kommen wird?“ fragte der Lord, welcher ganz erpicht darauf war, den Bebbeh in seine Hände zu bekommen.
    „Jedenfalls“, antwortete ich. „Ahmed Azad, sein Scheik, hat es gesagt. Doch seid jetzt still, damit wir ihn nicht nur sehen, sondern schon vorher sein Kommen hören.“
    Nun lagen wir wohl eine Viertelstunde lang. Von unten herauf erklang jenes monotone und doch so vielsagende Rauschen des Waldes, jene ergreifende Predigt von der Allmacht des Unendlichen, des Ewigen. Da hörte ich ein dumpfes Geräusch in der Tiefe.
    „Horcht!“ flüsterte ich dem Lord zu.
    „Höre nichts“, antwortete er.
    „Aber ich höre es deutlich. Es sind die Schritte der Pferde auf dem Wiesengrund unten. Sie kommen.“
    „Well! Müßt Ihr lange Ohren haben, Sir! Ich glaube, die Lappen davon hängen bis dort hinunter, wo die Kerle sich befinden. Ihr seid ein Unikum und gehört in ein Panoptikum!“
    „Danke, Mylord! Nun aber aufpassen, denn es wird gar nicht lange dauern, so kommt der Späher heraufgestiegen.“
    Es vergingen vielleicht fünf Minuten, so vernahm ich das Geräusch eines rollenden Steines, welcher aus seiner Lage gestoßen worden war.
    „Er naht“, raunte ich dem Lord zu. „Nehmt ihn beim Hals, aber gleich so fest, daß er keinen Laut von sich geben kann!“
    „Und dann?“
    „Ist meine Sache.“
    Jetzt hörten wir leise Schritte, und einige Augenblicke später sahen wir ihn auch. Der Mond beleuchtete ihn hell, während wir im Schatten der Felsenenge lagen. Er war wohl der beste Späher der Kurden und dennoch ein schlechter Kundschafter; ich an seiner Stelle hätte die dunklen Stellen hinter den Büschen gesucht und wäre gekrochen, während er aufrecht gegangen kam.
    Seine Schritte waren langsam und bedächtig; ganz in der Nähe blieb er stehen, um zu horchen. Da er nichts Verdächtiges sah und hörte, so ging er weiter, um in die Enge einzudringen; er mußte an uns vorüber. Da gab ich dem Lord einen Stoß; er richtete seine lange Gestalt auf; der Kurde sah dieselbe so plötzlich neben sich in die Höhe ragen und wich erschrocken einen Schritt zurück; ehe er sich fassen und einen Schrei ausstoßen konnte, lagen ihm die Hände des Engländers am Hals.
    „Habe ihn!“ meinte Lindsay. „Was nun?“
    „Hinlegen.“
    Ich hob dem Bebbeh die beiden Füße aus, und der Lord ließ ihn nieder; er machte keine einzige Bewegung der Gegenwehr. Ich zog mein Messer, setzte ihm die Spitze desselben recht fühlbar auf die Brust, bat Lindsay, ihm den Hals freizugeben, und bedrohte ihn:
    „Sprichst du ein lautes Wort, so ersteche ich dich; hingegen wird dir gar nichts geschehen, wenn du gehorchst!“
    Er röchelte eine kurze Weile und holte dann tief Atem; zu reden aber oder gar zu schreien wagte er nicht.
    „Du siehst, daß du nicht immer Glück beim Spähen hast“, fuhr ich fort. „Einmal ist es dir gelungen, als du heute mit einem Gefährten zum ersten Mal hier warst; jetzt aber ist's
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