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1648 - Die Spiegelgeborenen

Titel: 1648 - Die Spiegelgeborenen
Autoren: Unbekannt
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Bedingungen aufwuchsen, viele Gemeinsamkeiten aufwiesen, die nur mit identischen Genen zu erklären waren.
    Aber eines war bei eineiigen Zwillingen ebenso gewiß wie ein trotz Trennung annähernd identischer Lebenslauf, versuchte ihr Ralf einzureden, nämlich daß sich die in frühester Kindheit intensiv gepflegte körperliche Bindung irgendwann von selbst legte. Und so würde es auch bei Mila und Nadja sein, behauptete er. „Saira, du hast hübsche und ganz normale Kinder. Nur sind sie eben eineiige Zwillinge."
    Als sie ihm daraufhin ihre Überzeugung unterbreitete, daß ihre Mädchen auf Zwottertracht während des mystischen Geburtsvorganges von den Zwotterfrauen verhext worden waren, da war seiner Weisheit letzter Schluß, ihr einfühlsam, aber dringend zu empfehlen, sich der Behandlung eines befreundeten Therapeuten zu unterziehen.
    Das war das Ende einer möglichen Beziehung.
    Damals waren Mila und Nadja bereits vier Jahre alt und hatten es schwer, Freundschaften mit Gleichaltrigen zu schließen. Nicht etwa, daß es wegen der Abgeschiedenheit ihres Heimes keine Gelegenheit dazu gegeben hätte. Saira hatte alles versucht, die Zwillinge nicht in Isolation treiben zu lassen.
    Sie war mit ihren Mädchen zuerst bis in die weitere Nachbarschaft hausieren gegangen, hatte sich bei allen möglichen Leuten mit Kindern angebiedert und es sogar auf sich genommen, Kinderpartys zu veranstalten. Aber all die Aktionen endeten als Desaster, weil die anderen Kinder irgendwann nichts mehr von Mila und Nadja wissen wollten.
    Als Saira sich sogar so weit demütigte, bei den Eltern nach den Gründen für die Abneigung deren Kinder für ihre Zwillinge zu forschen, wurde ihr mehr oder weniger schonend beigebracht, daß es gerade umgekehrt sei und ihre beiden Mädchen die anderen Kinder vergraulten.
    Besonders Mila, mußte sie sich sagen lassen, tue alles, um keinen Außenstehenden an sich und ihre Zwillingsschwester heranzulassen.
    Wie das vonstatten ging, erfuhr Saira aber erst Monate später. Sie hatte, um die Mädchen zu Hause nicht verkümmern zu lassen, es auf sich genommen, sie täglich in den Kindergarten am Rand von Sol-Town zu fliegen. Bereits eine Woche später wurde Saira von der leitenden Kinderpsychologin zu sich bestellt und dazu eingeladen, die Kinder beim zwanglosen Spiel zu beobachten, ohne daß diese es merkten.
    Nachdem Saira Mila und Nadja im Spielzimmer abgeliefert hatte, begab sie sich zu Dr.
    Vanessa Dooran ins Beobachtungszimmer mit der einseitig durchsichtigen Wand. „Ist es nicht ein Vertrauensbruch, auf diese Weise in die Intimsphäre der Kinder einzudringen?" fragte Saira indigniert. „Anders funktioniert es nicht, die Welt der Kinder kennenzulernen", erklärte die Kinderpsychologin. „Wenn man sich unter sie mischt, sind Kinder nicht mehr sie selbst."
    „Dann sollte man besser nicht in ihre Welt einzudringen versuchen."
    „Damit bliebe dir aber eine wertvolle Erkenntnis über Mila und Nadja vorenthalten.
    Versuche, deine Aufmerksamkeit auf die Kinder zu konzentrieren - solange du es erträgst."
    Diese Spitze ist einer diplomierten Kindergärtnerin eigentlich unwürdig, dachte Saira und widmete sich dann, um sich selbst nicht Voreingenommenheit vorwerfen zu müssen, dem Geschehen im Spielzimmer.
    Zuerst schien alles ganz normal zu verlaufen. Die Kinder, Buben und Mädchen im Alter zwischen zwei und fünf Jahren, tollten herum, wie Kinder ohne Aufsicht es eben tun. Nur Mila und Nadja machten bei dem ausgelassenen Treiben nicht mit. Sie saßen mit dem Rücken zur Wand in einer Ecke und machten verschiedene Fingerspiele, indem sie ihre Fingerkuppen oder Handflächen aneinanderpreßten oder eine die Finger mit denen der anderen verschränkte. Es sah eingespielt und routiniert aus. aber auch sehr gefühlvoll und emotionell.
    Während dieses wie ein Ritual anmutenden Spieles beobachteten sie die anderen Kinder, kicherten und tuschelten gelegentlich miteinander.
    Als sich ein etwa fünfjähriger Junge entlang der Wand an die Zwillinge anpirschte, stieß Mila ihre Schwester an. Sie versteiften sich beide augenblicklich. Kein Tuscheln und kein Kichern mehr. Ihre Mienen froren schlagartig ein. Es war erschreckend für Saira zu sehen, wie sich ihre zuvor gezeigte Ausgelassenheit zu einer Haltung eisiger Ablehnung verkrampfte.
    Mila verdrehte die Augen in Richtung des Jungen und raunte ihrer Schwester irgend etwas mit verkniffenem Mund und kaum bewegten Lippen zu. Nadja sagte nichts, sie signalisierte die Antwort
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