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1610 - Knochen-Lady

1610 - Knochen-Lady

Titel: 1610 - Knochen-Lady
Autoren: Jason Dark
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das wollte er auch nicht. Zum einen war der Wagen der UBahn voll, er hätte wahrscheinlich stehen müssen, zum anderen war er kein Mensch, der sich so leicht einschüchtern ließ. Und auf der Welt gab es genügend verrückte Typen, die nicht in das normale Raster passten.
    Das sah er sogar als positiv an. Wenn alle gleichgeschaltet waren, war jede Individualität dahin.
    Wer konnte schon wissen, welches Schicksal der Fahrgast erlitten hatte.
    Jeder Mensch hatte schließlich seinen eigenen Packen zu tragen.
    Johnny Conolly hatte den Blick gesenkt, aber er beobachtete sein Gegenüber heimlich. Beide saßen auf Einzelsitzen. So gab es nur sie beide.
    Der Mann vor ihm trug eine Wollmütze, die sein dunkles Haar nicht ganz verdeckte. An den Seiten quoll es hervor und erreichte auch die Ohren, die trotz des hochgeschlagenen Mantelkragens zu sehen waren. Das Gesicht war schmal.
    Johnny fiel die lange Nase auf, die nur aus einem Knochen mit zwei Löchern zu bestehen schien. Darunter zeichnete sich ein Mund mit dünnen blassen Lippen ab, dem dann ein recht kantiges Kinn folgte.
    Am auffälligsten waren die Augen. So starr und dennoch von einer Unruhe erfüllt, die sich Johnny nicht erklären konnte. Er wollte nicht sagen, dass er sich vor diesem Menschen fürchtete, aber ein Freund würde er nie werden können.
    Die Hände des Mannes waren nicht zu sehen, weil sie in Wollhandschuhen steckten. Aber sie bewegten sich unruhig. Mal schlossen sie sich zu Fäusten, dann wurden sie wieder gestreckt und glitten übereinander. Es war ein ständiges Wechselspiel, das hier ablief und wohl etwas mit dem inneren Zustand des Fahrgastes zu tun haben musste. Eine andere Erklärung fand Johnny nicht.
    Er bemühte sich, dem Mann nicht zu oft in die Augen zu sehen. Johnny wollte keinen Kontakt. Er hoffte auch, dass der Typ den Wagen bald verließ, aber der machte keinerlei Anstalten, das zu tun. Er blieb sitzen und war intensiv mit sich selbst beschäftigt, wobei er hin und wieder seine Zunge zeigte, wenn er über seine Lippen leckte.
    Die übrigen Fahrgäste kümmerten sich nicht um ihn. Es war die Zeit der Rushhour. Die meisten Fahrgäste befanden sich auf dem Heimweg.
    Wegen des Wetters machte es keinen Spaß, mit dem Wagen zu fahren, denn die Schneefälle wollten einfach nicht aufhören. Es hatte London mal wieder überschüttet. Da kam man mit der U-Bahn besser voran als mit dem Auto.
    Es gab niemanden, der irgendeinen Terror in der Bahn machte.
    Eigentlich herrschte eine schon unnatürliche Stille. Die vereinzelten Unterhaltungen klangen gedämpft.
    Der nächste Halt. Es gab ein kurzes Rucken, dann stand die Schlange aus Wagen.
    Johnny drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster.
    Menschen hasteten durch die Station. Da die Scheibe zum Teil beschlagen war, wirkten sie manchmal wie Gespenster, die es eilig hatten.
    Es stiegen nur einige Menschen aus. Dafür drängten sich andere hinein, und so wurde der Wagen noch voller.
    Kühle Luft wehte durch die offene Tür. Sie vertrieb einen Teil des Dunstes, der sich ausgebreitet hatte. Die Kleidung roch, die Menschen rochen auch, und manche Frauen hatten einen zu starken Duft aufgetragen, der unangenehm in Johnnys Nase stieg.
    Der Zug fuhr wieder an.
    Erneut gab es einen Ruck. Einige der Stehenden schwankten für einen Moment, hielten sich dann aber fest, und so nahm der Zug wenig später wieder Fahrt auf.
    Johnny ärgerte sich darüber, dass er sich nichts zu lesen mitgebracht hatte. Auch auf Musik musste er verzichten.
    Dafür aber nicht auf den Anblick des ihm gegenübersitzenden Mannes, der weiterhin in seiner Unruhe gefangen blieb.
    Hin und wieder schaute er Johnny mit einem kurzen Blick an, wobei sich Johnny bemühte, ihm nicht zu lange in die Augen zu schauen. Er wollte keinen Stress haben.
    Trotzdem dachte er über den Mann nach. Er war ihm nicht geheuer. Er kam ihm vor wie jemand, der auf dem Sprung steht, um etwas Böses zu tun. Johnny konnte sich nicht gegen dieses Gefühl wehren. Angst hatte er nicht. Aber er spürte schon eine gewisse Vorsicht.
    Nur keinen Kontakt.
    Dann wurde Johnnys Aufmerksamkeit wieder auf den anderen Fahrgast gelenkt.
    Der Mann fing plötzlich an zu sprechen. Er redete schnell und flüsternd.
    Es war nicht zu verstehen, was er sagte, und er schüttelte dabei den Kopf und tat dann das Gegenteil davon, indem er mehrere Male hintereinander nickte.
    Sein Verhalten wurde immer seltsamer, und allmählich stieg in Johnny das Misstrauen hoch. Der Mann hatte mit Problemen
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