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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste
Autoren: Michael M. Thurner
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mit Verve und Leidenschaft.
    »Und wenn sie auch widerlich sein mag«, sagte N’oia, »so erregt mich ihre Kampfkraft dennoch.«
    »Sie ist bereits verloren«, entgegnete Izo’sch. »Die Fingerlinge der Sandquallen haben sie mehrmals berührt.«
    »Und dennoch wird das Weib die Sandqualle besiegen. Sieh hin, wie sie sich auf den Rücken des Tiers schwingt. Als hätte sie ihr Lebtag nichts anderes getan, als wilde Tiere zuzureiten.«
    Das Brunfttier nahm die tödlichen Stiche und Hiebe ruhig hin. Sobald man den Rücken der Sandquallen erobert hatte, gaben sie jeglichen Gedanken an Widerstand auf. Diese seltsame Eigenart machte sie, wenn man ausreichend Erfahrung hatte, zu einer der angenehmeren Tiergattungen, die hier in der Bruchsteppe existierten und auf Beute lauerten.
    »Es kann nicht mehr lange dauern«, flüsterte Izo’sch schließlich. »Das Gift muss bereits ihr Blut durchströmen. Je mehr sie sich bewegt, desto schneller naht der Tod.«
    »Sollen wir uns mit ihr vergnügen?« N’oia leckte sich begehrlich über seine Lippen und duckte sich ein wenig tiefer in seine Deckung. Das schwarzhaarige Weib blickte sich um, als fühlte es die Anwesenheit der Schimären-Krieger. »Wir könnten sie jetzt gleich nehmen – schwach wie sie ist.«
    »Wir warten besser, bis sie tot ist. Ich mag das Geschrei und Gestöhne nicht sonderlich…«
    Ein Geist griff nach ihnen, fuhr wie die heiß glühende Spitze eines Messers in ihre Gehirne. Er strahlte Böses aus, abgrundtief Böses.
    Mit einer Geschicklichkeit, der N’oia und Izo’sch nichts entgegenzusetzen hatten, holte er jenes Wissen, das er wollte, aus ihnen heraus.
    Moogan sah mit ihren Augen, roch mit ihren Nasen, fühlte mit all ihren Sinnen. Und er ließ sie beide zugleich sprechen:
    »Rettet dieses Weib und bringt es zu mir…«
    So wie er gekommen war, verschwand er wieder aus den Köpfen.
    Und hinterließ zwei Schimärenkrieger, die sich ob der Schande, nur noch Gäste in ihrem eigenen Körper zu sein, nicht mehr in die Augen zu blicken wagten.
    ***
    Die Schwärze machte einem blassen Grau Platz, aus dem sich zwei Umrisse schälten. Das Denken fiel Aruula immens schwer. Kaum schaffte sie es, Sinneseindrücke miteinander zu verbinden und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
    Was hatten diese beiden Flecken für eine Bedeutung?
    Waren es freundliche Götterboten, die die tapfere Kriegerin an den Händen nehmen und in das Ewige Reich führen würden?
    Warum stanken sie dann derart penetrant? Waren sie etwa Dämonen?
    Aruula bewegte versuchsweise die Finger ihrer Rechten – und musste einen Schmerzensschrei unterdrücken. Jeder einzelne Nerv ihres Körpers schien in Flammen zu stehen.
    Nein! Eine derartige Qual konnte lediglich bedeuten, dass sie dem Totenvogel Krahac ein weiteres Mal entkommen war.
    Und diese beiden Gestalten, deren Umrisse sich allmählich aus dem Halbdunkel schälten, waren ihre Retter.
    Sie redeten in einer seltsam gutturalen Sprache miteinander.
    Manche der Wörter meinte sie gar zu verstehen. Sie ähnelten dem Idiom der Wandernden Völker, vermengt mit Einsprengseln russischer Dialekte. Vorläufig kümmerte sie sich nicht weiter darum. Erst einmal fühlte sie sich sicher. Die beiden hätten sich nicht die Mühe gemacht, sie zu retten, wenn sie vorhatten, sie zu töten.
    Mittlerweile konnte Aruula ausreichend fokussieren und die beiden Gesichter ausführlich betrachten. Nein, eigentlich nur die schwarzen Augen mit den stechenden Blicken. Denn Mund, Nase, Wangen und Stirn waren hinter schmutzigen Bandagen verborgen. Da und dort blinkte fahlgraue Haut durch, die von unzähligen Pickeln verunziert war.
    »… wach«, sagte der eine, etwas größere soeben. Er griff unter eine der Stoffschichten und brachte eine Trinkflasche hervor, deren pelzige Außenhaut den erschreckten Gesichtsausdruck irgendeines Wüstennagers zeigte:
    »Trink!«, befahl er grob und schob ihr grob den Flaschenhals in den Mund.
    Aruula hätte schreien wollen, wenn sie denn dazu fähig gewesen wäre. Nach wie vor erzeugte selbst die geringste Muskelanspannung mörderische Schmerzen, nach wie vor war sie vom Gift weit reichend paralysiert.
    Sie fühlte, wie die sämige Flüssigkeit ihren Rachen hinab rann und ihren Magen erwärmte, nein, in Flammen setzte!
    »Gut Spiritus«, sagte der andere Mann. »Tötet… Gift.«
    Allerdings nicht nur das Gift, dachte Aruula verzweifelt.
    Dieses mörderische Gesöff ätzt mir sämtliche Geschmacksnerven weg.
    Immerhin: Nach und nach
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