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1567 - Der russische Rambo

1567 - Der russische Rambo

Titel: 1567 - Der russische Rambo
Autoren: Jason Dark
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wurde - bis Wladimir plötzlich einen leisen Ruf ausstieß.
    »Was ist?«, fragte der Arzt.
    »Da - da…« Golenkow musste sich erst wieder fangen. »Da ist doch was gewesen.«
    »Wo bitte?«
    »Am Mund! Die Lippen haben gezuckt, und ich habe mir das nicht eingebildet.«
    Jetzt wurde auch ich aufmerksam. Ich hatte noch Platz und näherte mich dem Bett. Meine Aufmerksamkeit war dabei auf die Lippen gerichtet. Ich hoffte, dass es den Tatsachen entsprach, was Wladimir gesehen hatte.
    Es wäre schon einem kleinen Wunder gleichgekommen.
    Sekunden vergingen. Da jeder den Atem anhielt, standen wir in der tiefen Stille.
    Und dann passierte es erneut. Diesmal sah ich auch, dass die Mundwinkel zuckten, als stünde Karina dicht davor, ihre Lippen zu öffnen, um etwas zu sagen.
    Wladimir zuckte hoch. Sein Blick wechselte zwischen dem Arzt und mir hin und her. »Da war es wieder. Ihr - ihr - müsst es doch gesehen haben. Oder nicht?«
    Dr. Sorow nickte.
    Ich sagte: »Ja, ich habe es gesehen.«
    Wladimir ballte die Hände.
    »Jetzt wird alles gut«, flüsterte er. »Es wird nicht mehr lange dauern, und sie ist wieder normal. Ich weiß es. Ich bin davon überzeugt…«
    Das hatte einfach aus ihm heraus gemusst. Jetzt lauerten wir darauf, dass sich zumindest das Zucken der Lippen wiederholte und noch eine weitere Reaktion auftrat.
    Noch mussten wir warten. Unsere Spannung hatte sich auch wieder etwas gesenkt. Nur Wladimir stieß noch heftige Atemzüge aus, und jedes Geräusch schien so etwas wie eine Bitte zu sein, doch endlich die Augen zu öffnen.
    Karina tat es nicht. Sie bewegte sich überhaupt nicht mehr und schien wieder zurück in ihren alten Zustand gefallen zu sein. Wie eine Tote lag sie da, so bleich und fast schon wächsern.
    Dann sprang wieder der Hoffnungsfunke hoch, als erneut die Lippen an ihren Enden zuckten. Dabei blieb es nicht, denn was dann folgte, glich schon einem Wunder.
    Karina öffnete den Mund.
    »Das - das…« Wladimir schüttelte den Kopf. Wie auch wir sah er die hellen Zähne. »Das kann ich nicht glauben!« Er sah aus, als wollte er sich auf Karina stürzen, hielt sich allerdings zurück und stieß nur ein Keuchen aus.
    Ich konzentrierte mich auf die Augen. Sie blieben ohne Leben. Es gab darin keinen anderen Ausdruck. Aber der Mund blieb nicht mehr geschlossen. Erneut bewegten sich die Lippen und diesmal begann Karina sogar zu sprechen.
    Es war nur ein Flüstern und für mich auch nicht zu verstehen, dafür horchte Wladimir. Erbrachte sein Ohr dicht über Karinas Mund und hielt beide Hände flach auf seine Oberschenkel gelegt.
    Leise, sehr leise Worte. Nicht mehr. Kein anderer Blick, keine andere Bewegung.
    Wladimir sah aus, als wollte er jeden einzelnen Buchstaben aufsaugen.
    Wie viel Zeit verging, konnte ich nicht sagen, denn ich hatte den Eindruck, mich in einem zeitlosen Raum zu bewegen, in dem der Arzt so starr wie ein Soldat auf der Stelle stand und seinen Blick ins Leere gerichtet hatte.
    Plötzlich war Schluss. Karinas Lippen verschlossen sich wieder. Kein Flüstern mehr, gar nichts.
    Auch von uns sprach niemand ein Wort. Auf meinem Rücken hatte sich die Haut zusammengezogen. Ich kam mir vor wie irgendwo abgestellt und wartete auf einen Fortgang des Geschehens.
    Es tat sich nichts mehr. Erst als Wladimir Golenkow sich aufrichtete, atmete auch ich durch. Ich bemerkte auch den verunsicherten Blick in den Augen meines russischen Freundes und sah, wie er mit einer verlegenen Geste die Schultern anhob.
    »Sie ist stumm«, flüsterte er und strich mit einer zärtlichen Geste über ihr Gesicht. »Sie sagt nichts mehr. Das ist - das ist - kaum zu fassen.« Er drehte sich uns zu. »Aber sie hat etwas gesagt, nicht wahr? Das habt ihr doch auch gehört.«
    »Haben wir«, sagte ich.
    Er schaute wieder auf Karina. »Das ist Hoffnung«, flüsterte er. »Ja, das ist Hoffnung. Ich weiß, dass sie nicht tot ist, und sie wird wieder normal leben.«
    Dr. Sorow sagte mit leiser Stimme: »Ich denke, dass wir sie jetzt allein lassen sollten.«
    »Klar, machen wir. Aber ich komme wieder«, sagte Wladimir zu der Regungslosen. »Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn es ernst wird, bin ich an deiner Seite.«
    Diesmal verließen wir das Zimmer mit etwas besseren Gefühlen.
    Die Tür war kaum hinter uns zugefallen, als Dr. Sorow durch seinen Alarmpieper gerufen wurde.
    »Ich muss weg.«
    »Wir kommen allein zurecht.«
    Wladimir ging neben mir her wie jemand, der mondsüchtig ist und nicht hinschaut, wohin ihn der Weg
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