Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1561 - Wächterin der Nacht

1561 - Wächterin der Nacht

Titel: 1561 - Wächterin der Nacht
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
flüstern, was ich jedoch nicht zuließ.
    »Bitte, Judy, nicht jetzt. Bleiben Sie liegen, bewegen Sie sich nicht. Alles andere erledige ich.«
    »Sie ist meine Zwillingsschwester!« Das musste raus. Diese Tatsache hatte sie mehr mitgenommen als der Schwertstich.
    »Ja, das ist wohl so. Wir können es nicht ändern. Sie ist Ihre Zwillingsschwester, aber sie ist auch ein Werk unheiliger Mächte. Ich muss sie stoppen.«
    »Das kann man nicht!«
    »Warten wir es ab.«
    »Dann ist es zu spät.«
    Ich konnte ihren Pessimismus verstehen, den ich aber nicht teilte, nicht teilen durfte, denn dann hätte ich meinen Job aufgeben müssen.
    Während des ganzen Dialogs mit Judy King hatte ich mich immer wieder umgeschaut. Liliane war wie vom Erdboden verschluckt. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
    Ich erhob mich.
    Das Kreuz hielt ich mit den Fingern der Rechten umklammert. In meiner Umgebung hatte sich nichts verändert. Alles war ruhig. Kein verräterisches Rascheln, kein Zwitschern der Vögel. Mir schien es, als hätte sich die Natur geduckt.
    Ich musste mit einem Angriff aus dem Hinterhalt rechnen. Hier gab es keine Fairness, denn Liliane wusste, dass ich im Besitz einer starken Waffe war.
    Wo verbarg sie sich?
    Verstecke gab es viele in dieser Umgebung.
    Judy King wimmerte leise. Auch wenn die Klinge nicht so tief eingedrungen war, litt sie sicher unter den Schmerzen. Liliane würde ihr Wimmern hören und so wissen, wo sie ihre Schwester und auch mich finden würde, denn sie konnte davon ausgehen, dass ich einen verletzten Menschen nicht allein ließ.
    Die Stille zerriss. Erneut hörte ich die Stimme von Judys Zwillingsschwester.
    »Keine Sorge, ich bin noch da.«
    »Das hoffe ich doch!«
    Ein Kichern erklang. »Du willst mich vernichten, oder?«
    »Das habe ich vor.«
    »Es wird dir nicht gelingen, auch wenn du dich auf dein Kreuz verlässt. Es ist nicht allmächtig.«
    »Du bist es auch nicht.«
    »Aber in mir steckt die Kraft der Hölle. Ich erzählte dir von meinen zwei Seiten. Ich kann sie lenken, sie steuern, und das wirst du zu spüren bekommen.«
    Dass es keine leere Drohung war, war mir klar. Ich wusste, dass sich der Kampf zwischen uns hinziehen konnte, und mir blieb dabei nichts anderes übrig, als mich auf mein Kreuz zu verlassen.
    Es lag in meiner Hand. Für mich sollte es jetzt zu einem Indikator werden. Wenn sich Liliane näherte, dann würde es mich warnen. Ich setzte darauf, dass es sich stärker erwärmte oder Lichtreflexe ausstrahlte.
    Das geschah noch nicht. Die Temperatur des Kreuzes blieb gleich.
    Ich ging etwas zur Seite und stellte mich so hin, dass ich die alte Steintreppe im Blick behielt. Liliane hatte sie für ihren ersten Auftritt benutzt und war dort wie eine Königin erschienen.
    Ich kannte die schwarzmagischen Gestalten. Viele von ihnen waren arrogant, überheblich und sehr von sich überzeugt. Übersteigerte Eitelkeit gehörte dazu. Sich von einem Menschen fertigmachen zu lassen war für sie unvorstellbar.
    Ich sah das anders und hoffte inständig, dass ich nicht lange zu warten brauchte, denn Judys Wunde musste versorgt werden. Dafür war ich nicht der richtige Mann.
    Die Wärme des Kreuzes blieb bestehen. Demnach bewegte sich Liliane nicht in unserer unmittelbaren Nähe. Auf ein Rascheln oder ein anderes verräterisches Geräusch brauchte ich sowieso nicht zu achten. Eine wie sie glitt lautlos dahin.
    »Ich bin noch da!«
    Ja, sie war da, und es war gut, dass ich die Treppe im Auge behalten hatte, denn dort stand sie. Oder nicht?
    Sie sah jetzt anders aus. Es war keine Täuschung meiner Augen, wenn ich behauptete, dass sie dunkler geworden war. Dazu gehörte der linke Flügel, denn jetzt waren beide schwarz, wie ich vor dem grauen Hintergrund erkennen konnte, von dem sie sich abhoben, weil sie wieder hoch standen.
    Nicht nur die Flügel hatten sich farblich verändert. Gleiches war mit dem gesamten Körper geschehen. Es gab keine Ähnlichkeit mehr mit Judy. Sie war nur noch eine dunkle, böse und sehr bedrohliche Gestalt.
    Auch wenn ich in ihr Gesicht schaute, sah es ganz anders aus als vorher. Es war zu einer schwarzen Fläche geworden, ebenso schwarz wie die Arme, die Hände - ja, der gesamte Körper.
    Nur das Schwert war gleich geblieben. Die lange schmale Klinge schimmerte wie eine Spiegelscherbe.
    Auf die tödliche Waffe, die sie perfekt beherrschte, wollte sie nicht verzichten.
    Mit hohnerfüllter Stimme wiederholte sie ihre Worte. »Ich bin noch da!« Auch Judy hatte ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher