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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars
Autoren: Jo Zybell
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wirst du ihn auch nur vordergründig. Mein eigentlicher Auftrag für dich lautet so: Prüfe die Geschichten, die er erzählt, auf ihre historische Wahrheit. Er behauptet nämlich aus der Vergangenheit der Erde zu kommen! Sammle so viele Informationen über ihn, wie du kannst. Das war’s.«
    Die Ratspräsidentin erhob sich, und Chandra blieb nichts übrig, als es ihr gleich zutun. »Kann ich nicht noch ein wenig mehr erfahren?«
    »Ich lasse dir das Dossier des Gefangenen auf dein Terminal schicken.« Cansu Alison Tsuyoshi kam um das Pult herum, blieb vor Chandra stehen und musterte sie von oben bis unten.
    »Der Erdbursche ist nur eins fünfundachtzig groß, also drei Zentimeter kleiner als du. Wir wollen ihn nicht unnötig entmutigen, zieh also flache Schuhe an und toupier dein Haar nicht so hoch.«
    Wut und Enttäuschung machten Chandras Stimme heiser, als sie sich verabschiedete. Beides wuchs mit jedem Schritt, während sie durch die Vorzimmer stelzte, denn auf einmal dämmerte ihr eine niederschmetternde Einsicht: Es gab viele Historiker und etliche Sprachwissenschaftler auf dem Mars.
    Aber es gab kaum jemanden, der den Erdenmann nur um wenige Zentimeter überragte. Wahrscheinlich hatte Cansu sie einzig und allein ihrer unterdurchschnittlichen Größe wegen für diese undankbare Aufgabe ausgesucht.
    ***
    Ein grauer Steinbrocken, unförmig und zerklüftet, als diene er kosmischen Titanen als Zielscheibe für Schießübungen, so hing der innere und größere der beiden Marssatelliten, Phobos, unter dem gleichnamigen Schiff. Unheimlich wirkte er, vollkommen öde und irgendwie abweisend.
    Spiegelte er nicht die klammen Erwartungen wider, die Matthew Drax befallen hatten, seit er hier oben allein in der Aussichtskuppel der PHOBOS stand und den Anflug auf den Mars beobachtete? Weiß Gott, das tat er!
    Etwas in ihm wollte noch immer glauben, man müsste in der Marskolonie eigentlich dankbar oder doch wenigstens wohlwollend neugierig sein, einen friedlich gesinnten und zivilisierten Bewohner des Mutterplaneten empfangen zu dürfen. Doch gab es irgendeinen rationalen Grund für diese Annahme? Nein, den gab es nicht. Im Lichte emotionsloser Vernunft betrachtet, hatten sie ihn auf der PHOBOS im Grunde wie einen Gefangenen behandelt; jedenfalls bevor er mitgeholfen hatte, Aikos marodierendes Bewusstsein zu bändigen. Leute wie Leto Angelis begegneten ihm jetzt noch wie einem Barbaren, und die Beauftragte des Marsrates, Meta Braxton, hatte Naoki Tsuyoshi Tod mit verschuldet.
    Noch Fragen?
    Über ihm schwebte die gewaltige Marskugel, rötlich und grünlich und von grauweißen Wolkenbändern eingesponnen.
    Nie zuvor hatte er einen solchen Mars gesehen. Das Raumschiff näherte sich dem Planeten von der Tagseite. Wie ein grüner Kontinent im rötlichen Ozean, so wirkte das Siedlungsgebiet der Menschen. Es war weit größer, als Matthew Drax es sich vorgestellt hatte, viel zahlreicher auch die blauen Einsprengsel, blauen Linien und blauen Flecken – vereinzelte oder zusammenhängende Gewässer.
    Es gab keinen Grund anzunehmen, dass man auf diesem Planeten eine Willkommens-Party für ihn geben würde. Es gab aber eine Menge Gründe anzunehmen, dass man ihn misstrauisch beäugen und wahrscheinlich als Gefangenen behandeln würde, vielleicht sogar als einen gefährlichen Feind…
    Ein Raumschiff schob sich in sein Blickfeld – die Queen Victoria. Angelis hatte das Shuttle von der PHOBOS abgekoppelt und steuerte nun den Marsmond an. Kaum zu glauben, dass sie auf diesem Dreckklumpen eine Station unterhielten, in der sie ein nicht ganz unkompliziertes Gerät wie die Queen Victoria durchchecken und die Dateien auf ihrem Bordrechner analysieren konnten.
    Etwas wie Wehmut beschlich Drax, während das Shuttle sich mehr und mehr entfernte. So viele Erinnerungen hingen an der Raumfähre – würde er sie je wieder sehen? Würde er sie je wieder fliegen? Und schon begann es wieder zu rotieren, das Karussell in seinem Kopf: Bilder, Fragen, Gesichter, Gefühle…
    Der Commander atmete tief durch. »Schluss…«, murmelte er. Er schluckte den Kloß im Hals hinunter, seine Gestalt straffte sich.
    Drei Tage waren vergangen, seit er zum ersten Mal hier oben in dieser Aussichtskuppel gestanden hatte. Theoretisch war Drax vorbereitet auf die dünnere Luft, auf den niedrigeren Luftdruck von etwa 750 Hektopascal ( entspricht einer Höhe von ca. 3800 m auf der Erde ), die geringere Gravitation, und in den wichtigsten Punkten auch auf die andersartigen
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