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1548 - Orbit im Nichts

Titel: 1548 - Orbit im Nichts
Autoren: Unbekannt
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Rückenlehne wirkte unbequem. Aus dem vorderen Teil des Sitzes ragte ein kräftiger Stiel, der an seinem oberen Ende mit einer knaufförmigen Verdickung ausgestattet war. In die Oberfläche des Knaufs waren zwei leuchtende Kontaktflächen, die eine gelb, die andere blau, eingearbeitet.
    Das Ganze sah dem Steuerknüppel eines archaischen Flugzeugs zum Verwechseln ähnlich.
    Unmittelbar vor dem Lager hielt das Mobil an. Aus den Seiten des Kastens, der unter der Sitzfläche befestigt war, wuchsen, wie von Zauberhand gezogen, silbern schimmernde Gebilde, die rasch länger und dabei auch dicker wurden. Sie waren überaus flexibel und erinnerten an die Tentakel eines Riesenkraken.
    Greifarme waren sie in der Tat, aus Formenergie gefertigt und mit der Fähigkeit ausgestattet, ihre Oberfläche den jeweiligen Umständen anzupassen, so daß sie ihre Aufgabe mit einem Höchstmaß an Effizienz verrichten konnten. Es waren insgesamt vier Tentakel, die sich behutsam dem Mann auf dem Lager entgegenschoben.
    Die Spitzen der Greifarme gabelten sich dreifach. Der Mann wurde unter den Armen und an den Hüften gefaßt und behutsam in den Sitz des Mobils gehoben. Jetzt war deutlich zu erkennen, warum das Gefährt weder Beinlehnen noch Fußstützen besaß. Njels Bohannons mörderischer Schuß hatte dem Unglückseligen die Beine vom Leib getrennt.
    Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung und glitt auf eine doppelflügelige Tür zu, die sich bereitwillig öffnete.
    Dahinter war ein tunnelähnlicher Korridor zu sehen, der in sanfter Neigung nach unten führte.
    Das Chronometer über der Tür zeigte 04.23 Uhr.
    Das eigenwillig geformte Gefährt hatte sich aufgrund seiner vielseitigen Verwendbarkeit und der hohen Qualität der Ausstattung, über die die klobige äußere Erscheinung nicht hinwegtäuschen durfte, in den wenigen Tagen seiner Existenz bereits einen Namen gemacht. Man nannte es das Kantormobil.
    Und der Mann, der obenauf saß, fest entschlossen, dem Feind in die Parade zu fahren, war kein anderer als Myles Kantor.
     
    *
     
    Das Kantormobil glitt lautlos den mäßig hell erleuchteten Gang hinab. Aus Gewohnheit tastete er nach der Waffe, die in einem Halfter unter der rechten Armstütze hing, und vergewisserte sich, daß der Kombi-Mechanismus auf Paralysator-Modus geschaltet war. Er war nach wie vor fest davon überzeugt, daß er es nicht mit physisch greifbaren Eindringlichen zu tun hatte. Der Oktober ‘69 würde sich diesmal einer anderen Vorgehensweise befleißigen. Völlig sicher jedoch konnte Myles seiner Sache nicht sein.
    Am Eingang zum zentralen Kontrollraum hielt das Kantormobil an. An dem Raum hatte sich einiges verändert, seit Myles nach einer Serie erfolgreich überstandener Operationen ins Rehabilitationszentrum eingeliefert worden war. Das Kontrollzentrum war jetzt eine kleine, sechseckige Halle mit einem Durchmesser von neun Metern und dreieinhalb Meter hohen Wänden, die vom Boden bis zur Decke mit technischem Gerät bestückt waren. An fünf Wänden gab es je einen mit Konsole und anderen Kommunikationsmitteln ausgestatteten Arbeitsplatz. Der Raum war so übersichtlich angelegt, daß sich hier niemand verstecken konnte.
    Es war außerdem darauf geachtet worden, daß das Kantormobil hier ungestört manövrieren konnte.
    Mit Hilfe des Steuerknüppels dirigierte er das Fahrzeug zu dem Arbeitsplatz, der rechts neben dem Eingang lag.
    Er wartete, bis sich die Eingangstür hinter ihm geschlossen hatte. Es gab nur diesen einen Zugang zum zentralen Kontrollraum. Er war alleine. Niemand anders hatte hier Zutritt, es sei denn, er, der Projektleiter, hätte ihn dazu ermächtigt. Myles begann zu hantieren. Er hatte einen bestimmten Verdacht. Der Gedanke, daß der unsichtbare Gegner nur ein paar Handbreit von ihm entfernt hinter der polymermetallenen Verkleidung irgendwo in den Mikrostrukturfeldern der Zentraleinheit saß, vermittelte ihm ein prickelndes Gefühl der Erregung. „Wenn du da bist, haben wir dich gleich", sagte er halblaut und verzog das Gesicht zu einem schadenfrohen Grinsen.
    Er hatte es erst vor kurzem übers Herz gebracht, sich erneut mit dem hyperphysikalischen Phänomen der Metalyse zu befassen. Mit dem Begriff Metalyse verbanden sich für ihn traumatische Erinnerungen an die grausamen Ereignisse, die sich im Innern des Supersyntrons NATHAN abgespielt hatten - damals, vor 14 Monaten, als sein Vater, Notkus Kantor, in den hyperenergetischen Eingeweiden des Gigantrechners den Tod fand. Die Notwendigkeit, sich
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