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1490 - Endstation Sol

Titel: 1490 - Endstation Sol
Autoren: Unbekannt
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ihre Pläne eingeweiht. Ich bin kein Anführer. Jeder von uns ist nur sich selbst verantwortlich, jeder sein eigener Herr. Glaube mir, oder töte mich - wenn du das vor den Herren der Straßen verantworten kannst."
    Es war ein kluger Schachzug Shaarims, Dorian Waiken gegenüber darauf hinzuweisen, wie wertvoll seine Art für die Beherrscher der Milchstraße war. Aber so leicht wollte sich Daarshol nicht geschlagen geben. Ihm fiel ein, daß das Verschwinden der Nakken mit einem anderen Ereignis zusammengefallen war.
    Er fragte: „Hast du den Deserteuren niemanden hinterhergeschickt, um sie zur Rückkehr zu bewegen, oder um zumindest zü erfahren, warum sie euer Projekt im Stich ließen?"
    „In der Tat, das habe ich getan", gestand Shaarim. ,„Ich selbst habe mich nach Lokvorth begeben. Aber ich habe keine Spur von den Flüchtigen gefunden."
    „Ist es vielleicht möglich, daß sie Kontakt mit den Historikern von Kaopak aufgenommen haben und mit ihnen geflohen sind?"
    „Ausge$chlossen. Dann ist schon eher das Gerücht wahr, das die Lokvorther verbreiten."
    „Was für ein Gerücht?"
    „Daß sich die Flüchtlinge in die Berge von Lokvorth zurückgezogen haben, um zu den Traditionen unserer Ahnen zurückzukehren."
    Daarshol wurde hellhörig. „Welche Traditionen? Abergläubische Bräuche? Barbarische Riten?"
    Shaarim gab keine Antwort. Bevor Daarshol noch nachsetzen konnte, schaltete sich Clistor, Dorian Waikens nakkischer Diener ein. „Die alten Bräuche haben mit diesem Fall nichts zu tun", behauptete er und schwebte zwischen Daarshol und Shaarim, als wolle er seinen Artgenossen schützen. „Du hast deine Sache gut gemacht, Daarshol. Aber jetzt werde ich das Verhör fortsetzen."
    In diesem Moment rührten sich die drei Nakken, die die ganze Zeit wie leblos am Boden gelegen hatten.
    Sie erhoben sich auf ihre mechanischen Kriechsohlen und gliederten sich in den Kreis der anderen ein.
    Sie waren demnach nur paralysiert gewesen. Daarshol wurde eigenartig zumute bei dem Gedanken, daß er nicht gezögert hätte, die Nakken nötigenfalls auch zu töten.
    Daarshol war konsterniert und blickte fragend zu dem Herrn der Straßen auf. Dieser zeigte ein seltsames Lächeln, winkte Daarshol mit einer leichten Kopfbewegung zu sich. Als Daarshol der Aufforderurig gefolgt war, nahm Dorian Waiken ihn wie einen guten Freund um die Schulter und zog sich mit ihm zurück. „Du bist in eine Sackgasse geraten, Daarshol", sprach der Herr der Straßen dabei vertraulich zu ihm. „Nakken sind, wie du weißt, sehr starrköpfig, aber sie werden vollends verstockt, wenn es um ihre alten, fast vergessenen Bräuche geht. Das trifft selbst auf Clistor zu, der uns ansonsten - und in wirklich allen anderen Belangen - ein treuer Diener ist."
    „Was habe ich falsch gemacht?" erkundigte sich Daarshol bange. „Nichts, was dir zum Vorwurf zu machen wäre", sagte Dorian Waiken in gleichbleibend freundschaftlichem Ton. „Es gibt in den Bergen der Heimatwelt der Nakken einen Ort, zu dem sie sich einst zum Sterben zurückgezogen haben und es heute, nach ihrem Rückfall in die Primitivität, wieder tun.
    Dieser Ort wird Nakkenfriedhof genannt. Ich glaube, Shaarim wollte andeuten, daß seine zweihundert nach Lokvorth ausgewanderten Artgenossen einen solchen Nakkenfriedhof begründen wollen. Und dieses Thema ist raknor - tabu. Du hättest keinen Ton mehr aus Shaarim herausbekommen."
    „Davon hatte ich keine Ahnung", gestand Daarshol. „Ich sagte es bereits, daß dir niemand deswegen Vorwürfe machen kann", beruhigte ihn der Herr der Straßen. „Du bist ein guter Mann, Daarshol. Aber ich möchte dich etwas fragen und erwarte eine ehrliche Antwort. Hättest du wirklich auf die Nakken geschossen und sie getötet?"
    „Ja, ich hätte nicht davor zurückgeschreckt, die Nakken zu töten."
    „Das wäre ein schlimmer Fehler gewesen", sagte Dorian Waiken bedaüernd. „Glücklicherweise ist es nicht zum Äußersten gekommen. Die Nakken sind für uns überaus wichtig. Darum müssen wir ihnen gewisse Privilegien gewähren, die wir anderen nicht genehmigen. Daher sind im Umgang mit Nakken unkonventionellere Mittel anzuwenden und andere Wege zu gehen. Das mußt du dir für die Zukunft merken, Daarshol."
    „Heißt das, daß Nakken tun und lassen können, was sie wollen?" wollte Daarshol wissen. „In gewisser Weise, ja", gab Dorian Waiken zu. „Die Grenzen, wie weit Nakken gehen dürfen, werden ausschließlich von uns bestimmt - von den Herren der Straßen.
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