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149 - Haus der mordenden Schatten

149 - Haus der mordenden Schatten

Titel: 149 - Haus der mordenden Schatten
Autoren: Larry Brent
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    Barner drehte sich halb um seine Achse.
    Dabei berührte er mit der über seinen
Ellbogen hinausragenden Mappe den Senfkübel und die mit Ketchup gefüllte Schale
auf der Theke. Beide rutschten durch die ruckartige Bewegung zu weit an den
Rand und verloren das Gleichgewicht, ehe man es verhindern konnte.
    Der Senftopf platzte auseinander, und das
gleiche Schicksal erlitt die Ketchup-Schale.
    Senf und Ketchup spritzten auf.
    Sie verteilten sich nicht nur sommersprossenhaft
auf der Hose des älteren Begleiters der Fremden, sondern auch auf den Schuhen
und Hosenbeinen Gerry Barners. Aber daraus machte der Maler sich nichts.
    Er hatte es darauf angelegt, Verwirrung zu
stiften und auf eine nicht ganz gutzuheißende Art und Weise in die Nähe der
Fremden zu gelangen, deren Verhalten ihm so merkwürdig vorkam.
    Während der Inhaber des Standes die Augen
verdrehte und der ältere Begleiter der Fremden mit einer Serviette die Spritzer
auf seiner Hose wegzuwischen versuchte, schob Barner sich vollends zwischen ihn
und die junge Frau.
    Wenn hier etwas nicht stimmte, dann konnte
sie sich jetzt bemerkbar machen, dann konnte sie sagen, was los war.
    »Sorry«, murmelte er beiläufig, sich
irritiert in der Runde umblickend, »das wollte ich nicht. Die beiden Töpfe
haben zu weit am vorderen Rand gestanden. Einen Hot Dog, bitte schön«, sagte er
rasch, dem Verkäuferzunickend. »Ohne Senf. Damit Sie nicht in die roten Zahlen
geraten .« Er grinste.
    Barner stützte den Arm, unter dem er die
Mappe mit den fertigen Zeichnungen hielt, auf die Theke und wandte das Gesicht
der jungen Frau zu.
    Deren Augen weiteten sich. Sie blickte Gerry
Barner nicht an, sondern starrte sekundenlang auf seine linke Hand. Da er die
Ärmel hochgekrempelt hatte, war deutlich die Tätowierung auf seinem Unterarm zu
sehen.
    Sie stellte eine Lotosblume dar, in deren
Mittelpunkt mehrere japanische Symbole tätowiert waren.
    Die Symbole bedeuteten: »Restaurant
Lotosblüte - Tokio«.
    Dies war ein Andenken an einen Besuch in Japan,
den er als junger Künstler auf eigene Faust machte, um die zarte Pinseltechnik
der Japaner zu studieren. Deren feinsinnige Kunst bewunderte er und zeichnete
indessen auch seine eigene Arbeit aus.
    Im Restaurant Lotosblüte hatte er vor mehr
als dreißig Jahren jenen genialen Maler kennengelernt, der ihn in seiner Kunst
unterrichtete. In der »Lotosblüte« verabschiedeten sie sich und hielten ihr
letztes Zusammentreffen auf diese ungewöhnliche Weise fest. Diese kunstvolle
Blüte ging auf einen Entwurf des Japaners zurück. In dem verewigten Restaurant
lebte eine seiner Schülerinnen, verheiratet mit dem Inhaber des Lokals, die die
Kunst des Tätowierens beherrschte und auf Wunsch jedem Gast solche kleinen
Kunstwerke in die Haut ätzte.
    Auf der ganzen Welt aber gab es nur zwei
Menschen, die durch diese Blüte freundschaftlich miteinander verbunden waren.
    Das waren Aiko Tasanuki und er, Gerry Barner.
    Die Tätowierung war nicht besonders gut, aber
sie fiel auf. Wie aber die fremde Frau darauf starrte, so hatte noch niemand
sie angesehen.
    »Ich . . . das ist. .. « ,
entrann es ihren bleichen Lippen, als suche sie verzweifelt nach Worten. In der
zarten, angenehmen Stimme schwang ein Ton mit, der ihn an etwas erinnerte - und
zugleich erschauern ließ.
    Plötzlich geschah etwas, was Gerry Barners
Leben in diesem Moment von Grund auf verändern sollte.
    »Gerry !« murmelte
die Frau. Und es war ganz deutlich zu hören. »Gerry?«
    Er hatte die Fremde nie zuvor in seinem Leben
gesehen, und sie sprach ihn an wie einen alten Freund, einen Menschen, dem man
sich anvertrauen konnte.
    Die Fremde - kannte seinen Namen!
     
    *
     
    Das gab es doch nicht!
    Drei Sekunden lang stand Barner da wie zur
Salzsäule erstarrt, und ihre Blicke trafen sich.
    Wehmut, Trauer, Ratlosigkeit, Verzweiflung
und eine ganze Palette anderer Gefühle meinte Gerry Barner in diesem Moment in
den Augen seines Gegenüber wahrnehmen zu können.
    »Gerry? Sie kennen meinen Namen ?« fragte er leise und irritiert. »Woher - kennen wir uns?
Ich wüßte nicht...«
    Dann ging es Schlag auf Schlag, und Barner
wurde von den Ereignissen überrumpelt, so daß er erst viel später dazu kam,
sich über diese unheimliche Begegnung Gedanken zu machen.
    Die Fremde wurde von harter Hand
herumgerissen. Der etwa vierzigjährige Mann mit den spiegelnden
Sonnenbrillengläsern packte sie kurzerhand am Arm und lief mit ihr davon. Der
ältere mit den Senf- und Ketchup-Spritzern auf der
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