Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1469 - Impulse des Todes

Titel: 1469 - Impulse des Todes
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
in der semantischen Logik prinzipiell dem gängigen, erlernbaren und aussprechbaren Sprachentyp zuzuordnen war, zu dem auch beispielsweise das Interkosmo zählte.
    Neyscam war aber nicht ihre Muttersprache. Diese nannten sie das Anorische, und hierbei handelte es sich um eine gänzlich anders aufgebaute linguistische Technik, die aus Bell-, Krächz- und anderen Lauten bestand und von Menschen nicht erlernt werden konnte.
    Diese andersartige Sprache, das Anorische, war aber dem Cantarischen sehr verwandt, so daß eine Verständigung untereinander grundsätzlich möglich war. Und das Anorische hatte auch schon der Friedenssprecher verwendet. Hier kam es allein in Frage.
    Das Kernproblem der Monologe, die einmal Dialoge werden sollten, lag also nicht auf semantischer Ebene. Ganz im Gegenteil. Hier war der einzige Anknüpfungspunkt, denn das Anorische mußte vertraut auf die Cantaro wirken und somit auch Vertrauen wecken. Das Problem lag im Inhalt. Oder besser gesagt, in der Logik des Inhalts. Über die gemeinsame Abstammung der Völker der Anoree und der Cantaro hatten Degruum, Gawal und Shyrbaat schon oft genug zu den Gefangenen gesprochen. Diese Aussagen mußten die Zuhörer längst genügend gut kennen. Gleiches traf auch für das Thema zu, das die Herren der Straßen betraf, die nach anorischer Meinung die Erbauer des Netzes der Schwarzen Sternenstraßen sein mußten, nach cantarischer Vorstellung aber irgendwie mit dem Supremkommando identisch sein mußten, das über die Milchstraße herrschte.
    Auch die Erklärungen zu den moralischen Werten und zur Beurteilung des Verhaltens der Cantaro waren oft genug vorgetragen worden. Degruum hatte daher beschlossen, heute allein über einen kritischen Punkt zu sprechen, der dem eigentlichen Problem vielleicht zu etwas mehr Nähe verhelfen konnte. „Ich freue mich", begann er, „daß ihr so zahlreich gekommen seid. Ich will euch nicht länger mit den Punkten konfrontieren, über die meine Artgenossen und ich ausgiebig gesprochen haben. Ich möchte eure Aufmerksamkeit heute auf einen einzigen Punkt lenken, der entscheidend für eure Urteilsbildung und damit für eure Zukunft sein kann."
    Er legte eine kleine Pause ein, aber erwartungsgemäß folgte keine Reaktion. Den Mienen der Cantaro war nichts abzulesen. „Es geht um das", fuhr Degruum fort, „was ihr wissen könnt. Unser Problem der Verständigung liegt darin, daß ihr euch an nichts erinnern könnt, was eure Herkunft oder das Leben eurer Vorfahren an einem anderen Ort betrifft. Ihr müßt euch doch einmal ganz objektiv und ohne anerzogene Vorurteile fragen, warum das so ist. Sicher, ihr könnt sagen, da gibt es nichts, was wir vergessen sollten. Vorher war nichts.
    Aber das könnt ihr nicht glauben, denn es widerspräche jeder Logik."
    Zum Erstaunen des Anoree warf Phoram etwas ein: „Wir gehen nicht davon aus, daß vorher nichts war. Wir haben aber keinen Hinweis darauf, was es sein könnte. Die Logik sagt daher, daß es richtig ist, nichts anzunehmen und nichts zu glauben, denn es könnte ja falsch sein."
    „Nun gut." Degruum griff den Faden sofort auf. Das war der Beginn eines kleinen Dialogs. „Glaubt nichts, aber nehmt nur einmal für ein paar Gedankengänge an, es wäre früher einmal so gewesen, wie wir es euch über eure Vorfahren geschildert haben. Beschränkt euch rein auf diese theoretische Annahme.
    Dann fahrt in eurer logischen Überlegung fort und fragt, warum es so ist - egal, wie es vorher wirklich war."
    Die Zuhörer blieben stumm. „Die Antwort ist einfach. Man - ich sage bewußt man - hat bei eurer Aufzucht dafür gesorgt, daß ihr kein Wissen über eure Herkunft oder Abstammung erhalten konntet. Wiederum völlig unabhängig davon, wie das >Vorher< wirklich war! Jemand, der über euch steht, wollte nicht, daß ihr etwas über die Herkunft wißt!
    Das ist der erste logische Punkt, den ihr beherzigen solltet. Und wenn ihr das getan habt, dann könnt ihr euch fragen, warum dieser Jemand es genau so wollte und euch unwissend ließ."
    Zu Degruums Enttäuschung blieben die Cantaro auch jetzt stumm. Es blieb ihm daher nur der weniger erfreuliche Weg, den Monolog fortzusetzen. „Der Herr Jemand hat euch nichts über die Anoree wissen lassen. Und nichts über eure Vorfahren.
    Dieses Wissen - und das könnt ihr sicher logisch erkennen - würde seine Pläne gefährden. Erkennt ihr aber nicht, welche Absicht hinter diesen Maßnahmen steckt? Ihr wurdet abhängig gemacht und ihr werdet benutzt. Handlanger,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher