Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
144 - Der Flug der Todesrochen

144 - Der Flug der Todesrochen

Titel: 144 - Der Flug der Todesrochen
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
schienen zu ahnen, dass es bald Futter regnen sollte. Vielleicht lag die Schwäche der erkrankten Lesh’iye bereits in der Luft. Auf einem Felsen, auf dem besonders viele Geier dicht beieinander hockten, schlugen die ersten schon aufgeregt mit den Flügeln und begannen sich krächzend in die Luft zu schwingen.
    Kaum flogen die ersten fort, folgten die nächsten, von Furcht erfüllt, vielleicht zu spät zu kommen. Innerhalb einer Minute hatte sich der Ruheplatz restlos geleert. Erst jetzt bemerkte Aiko, dass sie auf keinem Steinbrocken, sondern auf einem eisernen Gestänge gesessen hatten.
    Er wollte schon weiterfliegen, doch ein innerer Instinkt hielt ihn zurück. Die Metallkonstruktion sah einfach viel zu akkurat aus, zu exakt ausgerichtet, um der klägliche Zeuge eines vergangenen Jahrhunderts zu sein.
    Aiko leitete eine Wende ein und ging tiefer.
    Im zweiten Anflug war nicht mehr zu übersehen, dass dort, keine zwei Kilometer vom Kraterrand entfernt, ein viereckiges Stahlgerüst aufragte. Frisch verschraubt und sogar mit einer zähflüssigen schwarzen Substanz gestrichen, die den Rost fernhalten sollte. An den Seiten prangten viereckige, mit exakten Bohrungen versehene Platten, an denen irgendetwas angebracht werden sollte.
    Schaltkästen vielleicht?
    Schon möglich. Aber wozu? Was sollte hier auf Grundlage irdischer Technik zusammengeschraubt werden?
    Eine Wetterstation? Oder etwas weitaus weniger Harmloses?
    Grübelnd flog Aiko weiter.
    Der Virenausstoß lief von nun an automatisch. Ein Teil seines Gehirns spulte das vorgegebene Schema ab, während ein anderer nach weiteren Gerüsten Ausschau hielt. Kurz darauf wurde er erneut fündig.
    Dann noch mal und noch mal.
    Die Gerüste säumten tatsächlich in regelmäßigen Abständen das Ufer des Kratersees, meist durch angebrachtes Buschwerk gegen eine Entdeckung aus der Luft geschützt. Doch wer wusste, wonach er suchen musste, stieß rasch auf die entsprechenden Objekte. Dabei sah es aber aus, als wären dies noch nicht die endgültigen Standorte der Konstruktionen.
    Einige stand schief da, zwei waren sogar unter der Last landender Vögel umgekippt.
    Aiko blickte auf das ISS-Funkgerät.
    Er hätte seine Entdeckung gerne sofort weitergemeldet, doch die Sendediode leuchtete rot. Die Raumstation stand unter dem Horizont. Sein Bericht musste warten.
    Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf sein eigentliches Anliegen – die Vernichtung der Todesrochen.
    ***
    In der Stratosphäre
    In fieberhafter Eile versuchte Thgáan das Geheimnis der erkrankten Lesh’iye zu ergründen. Immer wieder ließ er die letzten Eindrücke vor ihrem Tod, die sich tief in sein Gedächtnis eingegraben hatten, Revue passieren. Während der ganzen Zeit, in der sie den Streit der Herren beobachtet hatten, war es ihnen gut gegangen. Dank seiner engen Verbindung wusste Thgáan das ganz genau. Schließlich hatte er alles durch ihre Augen und Ohren miterlebt.
    In dieser Zeit gab es nicht das geringste Anzeichen einer Schwäche. Keinen erhöhten Puls, keine Abweichungen in der Atemfrequenz, nichts. Alle medizinischen Werte im regulären Bereich. Erst unmittelbar vor ihrem Tod geriet alles durcheinander.
    Normalerweise ließ das auf eine Vergiftung schließen, etwa durch Schwefelwolken aus einem Erdspalt. Aber dafür gab es keine geologischen Anzeichen; außerdem waren die Herren im Dorf der Modelle unbehelligt geblieben. Somit schied diese Möglichkeit aus.
    Wieder und wieder formten die Erinnerungen drei verschiedene Perspektiven in Thgáans gigantischem Nervenzentrum. Seine Hoffnung, vielleicht irgendetwas Verdächtiges am Rand der Sichtfelder zu entdecken, erfüllte sich nicht. Er konnte suchen, so viel er wollte, es gab einfach keine unbekannte Spezies, die sich zwischen Hütten oder Felsen versteckte. Doch aus einem seltsamen Grund, den er selbst nicht erklären konnte, kamen ihm die Bilder trotzdem falsch vor.
    Thgáan wurde unruhig. Er war es gewohnt, Fehler sofort zu erkennen, zu analysieren und zu lösen, doch plötzlich schien sein Verstand von dichtem Nebel umhüllt. Sosehr er sich auch bemühte, den Blick zu schärfen, das diffuse Gefühl der Täuschung blieb.
    Hin und wieder, bei bestimmten Einzelbildern, fühlte er die Lösung zwar zum Greifen nahe, aber sobald er zupacken wollte, wurde der Nebel dichter und sie entglitt ihm erneut.
    Erst als er sich völlig auf die Beobachtung der Lesh’iye konzentrierte, in der Hoffnung, äußere Zeichen einer Krankheit zu entdecken, fiel ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher